Sind Immobilien überbewertet?

Ist Wohneigentum überbewertet, und welche Preisentwicklung ist zu erwarten? Eine Studie von Wüest Partner ging dieser Frage nach und zeigt fünf Zukunftsszenarien auf. 

Seit 2003 sind die Preise für Einfamilienhäuser in der Schweiz jedes Jahr angestiegen. Dasselbe gilt für Eigentumswohnungen – mit Ausnahme der Jahre 2016 und 2017, in denen es zu leichten Preiskorrekturen kam. Sind die kontinuierlichen Preisanstiege aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen gerechtfertigt, oder sind die Immobilien überbewertet? Und wie könnten sich die Preise in Zukunft entwickeln?

Mit diesen Fragen haben wir uns in einer neuen Studie auseinandergesetzt. Ziel war es, zu untersuchen, ob die starken Preisanstiege der letzten Jahre aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklungen gerechtfertigt sind. Oder anders gesagt: Liegen die aktuellen Preise über dem erklärbaren Fundamentalwert? Damit lassen sich auch die künftigen Preisentwicklungen in verschiedenen Szenarien prognostizieren.

 

Effektive versus fundamentale Entwicklung
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Preise für Einfamilienhäuser stärker mit den wirtschaftlichen Entwicklungen erklärbar sind. Die Preise für Eigentumswohnungen entwickeln sich volatiler und reagieren stärker auf subjektive Erwartungen oder auf «Marktrauscheffekte». Ende 2021 lagen die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen 1,05 Prozent beziehungsweise 6,30 Prozent über den Werten, die aufgrund der Wirtschaftstrends zu erwarten gewesen wären.

Es ergeben sich damit keine signifikanten Hinweise auf eine spekulative Immobilienpreisblase, was für einen robusten Zustand des Wohneigentumsmarkts spricht.

 

Kantone: Über- wie auch Unterbewertungen
Hinter der stabilen nationalen Entwicklung verbergen sich grosse kantonale Unterschiede hinsichtlich Markt- und Fundamentalwert. Die höchsten Überbewertungen im Vergleich zum Fundamentalwert von Einfamilienhäusern finden sich in den Kantonen Appenzell Inner-rhoden, Obwalden und Nidwalden, während im Tessin oder in Basel-Stadt die Marktwerte eher zu tief sind.

Die Überbewertungen in ländlichen Kantonen können einerseits mit Verdrängungseffekten aus den städtischen Zentren, wo Wohneigentumspreise von jeher hoch sind, zusammenhängen. Andererseits dürfte auch die verbesserte steuerliche Attraktivität vieler dieser Kantone zum stärkeren Wachstum der Marktwerte beigetragen haben.
Das zeigt sich teilweise auch bei der Betrachtung der Überbewertung von Eigentumswohnungen, die in den Westschweizer Kantonen Genf, Waadt und Neuenburg am stärksten ausgeprägt sind. Es ist zu erwarten, dass sich dort das Preiswachstum in den nächsten Jahren verlangsamen wird und wieder ein Niveau nahe den jeweiligen Fundamentalwerten erreicht.

 

Basierend auf der Studie, können künftige Preisentwicklungen in verschiedenen Konstellationen prognostiziert werden. Nachfolgend werden fünf Szenarien vorgestellt.

 

Szenario 1: Rezession
Im ersten Szenario gehen wir von einer Rezession in der Schweiz aus, mit einem Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten und einer hohen Arbeitslosenquote.

In diesem Fall wäre die Schweiz für Zuwanderer weniger attraktiv, was zu einem leichten Rückgang der Bevölkerung und einem starken Anstieg des Leerstands führen würde. Auch die Nachfrage wäre schwach, und eine Deflation könnte in greifbare Nähe rücken. In diesem pessimis­tischen Szenario wäre das jährliche Preiswachstum negativ, woraus über einen Zeitraum von 5 Jahren ein Wertverlust von 14 Prozent bei Ein­familienhäusern und 22 Prozent bei Eigentumswohnungen resul­tieren würde.

 

Szenario 2: Stagflation
Betrachtet wird die Situation in diesem Szenario unter Annahme einer überdurchschnittlich hohen Inflation ohne Wirtschaftswachstum. Die Zentralbanken würden die Zinssätze stark anheben, um die Inflation zu dämpfen, was sich in einem Anstieg der Hypothekarzinsen niederschlüge. Das Be­völkerungswachstum wäre gleich null, da die Schweiz an Attraktivität verlieren würde. Dies dürfte sich auch in einem stärkeren Anstieg des Leerstands widerspiegeln, während in den nächsten 5 Jahren die Einfamilienhäuser 6 Prozent und die Eigentumswohnungen 12 Prozent ihres Wertes verlieren würden.

 

Szenario 3: Fortsetzung der 2022er-Entwicklung
Diesem Szenario liegen die letzten beobachteten oder geschätzten Werte für das Jahr 2022 zugrunde, wobei davon ausgegangen wird, dass sich die Wirtschaft in den nächsten 5 Jahren ähnlich weiterentwickelt. Das Jahr 2022 dürfte von einem überdurchschnittlichen realen Wirtschaftswachstum (2,3 Prozent gegenüber einem Durchschnitt von 1,8 Prozent im Zeitraum von 1985 bis 2021) und einer sehr geringen Arbeitslosigkeit geprägt sein.

Dies stellt eine günstige konjunkturelle Lage dar, die die Nachfrage ankurbelt. Gleichzeitig ist das Angebot an verfügbaren Wohnungen sehr beschränkt, was den Preisdruck weiter verstärken würde. Unsere Modellrechnung zeigt, dass ein Wachstum von 6,5 Prozent für Einfamilienhäuser und 6,3 Prozent für Eigentumswohnungen in diesem Jahr wahrscheinlich ist. Setzt sich dieses Szenario über die nächsten 5 Jahre fort, würden sich Wertanstiege von 37 Prozent bei Einfamilienhäusern und 36 Prozent bei Eigentumswohnungen ergeben.

 

Szenario 4: Basisszenario
Dieses Szenario basiert auf unseren Erwartungen hinsichtlich der Wirtschaftsentwicklung in den nächsten 5 Jahren. Wir gehen dabei von einem durchschnittlichen Wirtschafts- und Bevöl­kerungswachstum, einem leichten Rückgang des Leerstands und einer Inflation aus, die wieder in das Zielband der SNB (zwischen 0 und 2 Prozent) zurückkehrt. In diesem Fall würden die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen innert 5 Jahren um 17 Prozent steigen. Dies entspricht durchschnittlichen Anstiegen von etwas mehr als 3 Prozent pro Jahr für beide Segmente.

 

Szenario 5: Starkes Wirtschaftswachstum
Das letzte Szenario zieht ein sehr dynamisches Wirtschaftswachstum, eine geringe Arbeitslosenquote, eine durchschnittliche Inflation und eine stagnierende Zahl leer stehender Wohnungen in Betracht. Bei diesem optimistischen Ansatz würde der Preisanstieg für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen in 5 Jahren 33 Prozent betragen.

Grundsätzlich lässt sich zusammenfassen, dass der Wohneigentumsmarkt auf einem stabilen Fundament steht. Grosse Preisverwerfungen aufgrund steigender Zinsen sind nicht zu erwarten. Wie sich die Wohneigentumswerte in den nächsten Jahren entwickeln werden, hängt stark von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

 

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