Fenster im Fokus
Mit grossen Fenstern die Aussicht maximieren oder mit kleinen Formaten die Natur einrahmen-klar ist das Design wichtig, die technischen Faktoren sollten jedoch nicht ausser Acht gelassen werden.
Reto Steiger, kann man die Fensterwahl getrost der Architektin oder dem Architekten überlassen?
Nur wenn die Architektin oder der Architekt die Bedürfnisse der Bauherrschaft sicher kennt, was aber im seltensten Fall zutrifft. Die individuellen Bedürfnisse kommen oft erst beim Beratungsgespräch mit der Fensterfachperson zum Vorschein. Die meisten Bauherr schaften befassen sich nur alle 25 bis 30 Jahre mit Fenstern. In dieser Zeit haben sich die Technologie und das Sortiment stetig weiterentwickelt. Wir reden hier nicht nur von den Rahmenmaterialien wie Holz, Holz/Metall oder Kunststoff und Glas. Fenster sind wie ein Baukastensystem. Je nach Bedürfnis können verschiedene Mehrleistungen wie Einbruchschutz, Schallschutz, Lüftung, Beschattung, Design oder Sensoren verbaut werden. Für die Umsetzung dieser Wünsche sowie bei technischen Werten, der Einhaltung der Vorschriften und Normen ist die Architektin respektive der Architekt die richtige Ansprechperson. Somit ist die Fensterwahl eine Abstimmung zwischen Bauherrschaft und den Fachleuten aus Architektur und Fenstertechnik.
Welche Überlegungen hinsichtlich der Fensterwahl sollten Bauherrschaften machen respektive welche Wünsche der Fachperson gegenüber äussern?
Sicherlich in erster Linie die eigenen Präferenzen bezüglich Materialien, Farben und Design. Weiter sind Bedürfnisse wie Sicherheit, Lüftungsverhalten, Beschattung, Schall und Insektenschutz wichtige Inputs für die Fachpersonen.
Welche Fensterarten stehen für den Einfamilienhaus Bereich überhaupt zur Wahl?
Grundsätzlich kann die Bauherrschaft zwischen Holz, Holz/Aluminium, Kunststoff, Kunststoff/Aluminium und Aluminium frei wählen. Die Entscheidung für eine Fensterart fällt oft anhand des Designs, der Haptik, des Budgets, der Farbe und der technischen Möglichkeiten in Verbindung mit den individuellen Bedürfnissen.
Holz, Holz/Aluminium oder Kunststoff oder ganz ohne Rahmen: Was sind die Vorzüge der unterschiedlichen Materialien und Rahmen Lösungen?
Holz ist ein natürlicher Baustoff, der aus technischer Sicht den anderen Systemen nicht nachsteht. Je nach Bauzone oder Art des Objekts ist dieser Werkstoff sogar vorgeschrieben. Bei einem reinen Holzfenster ist, damit es lange hält, der Unterhalt der äußeren Farbbeschichtung erhöht. Dieser aufwendige Unterhalt entfällt komplett bei einem witterungsbeständigen Material auf der Aussenseite, wie Aluminium oder Kunststoff. Die Farbgestaltung, innen wie aussen, ist bei Fenstern aus Holz/Aluminium praktisch grenzenlos. Der schweizweite Trend geht für Fenster aussen in Richtung einer Farbe, meist Grautöne, innen in Richtung Weiss. Hier bietet sich die Variante Kunststoff/Aluminium bestens an. Kunststofffenster werden sehr oft verbaut, wenn innen und aussen die Farbe Weiss gewünscht wird. Außerdem sind in Räumen mit einer zu erwartenden erhöhten Feuchtigkeit die Kunststofffenster klar im Vorteil.
Bei Systemen «ganz ohne Rahmen» wird der Rahmen vierseitig komplett im Boden, in den Wänden und in der Decke «versteckt». Das ermöglicht eine aussergewöhnliche und moderne Architektur. Diese Systeme werden oft bei sehr grossen Fenster-und Schiebeelemente verwendet.
Was macht den Preisunterschied aus?
Es ist wichtig zu wissen, dass die Preisunterschiede aus den Aufwänden der Produktion sowie den Materialpreisen entstehen und nicht technischer oder qualitativer Natur sind. Als Faustregel gilt: Verglichen mit Kunststofffenstern sind Fenster aus Holz sowie Kunststoff/Aluminium 20 Prozent und Fenster aus Holz/Aluminium 35 Prozent teurer. Die rahmenlosen Systeme bewegen sich in einer höheren Dimension, da meist bauseits zusätzliche Massnahmen getroffen werden müssen.
Ein Haus am See oder in den Bergen inwiefern beeinflusst die Lage die Fensterwahl?
Auf die Materialisierung hat der Standort grundsätzlich keinen Einfluss. Eigenschaften wie Windlasten, Schlagregendichtheit oder Luftdurchlässigkeit müssen jedoch auf den jeweiligen Standort des Gebäudes abgestimmt werden. Liegt das Haus über 1000 Meter über Meer, sollte in den Gläsern ein Druckausgleich eingebaut werden.
Wie ist ein Fensterglas standardmäßig aufgebaut?
In der Schweiz werden für Standardbedürfnisse praktisch nur noch dreifache Wärmeschutzverglasungen eingesetzt. Das sind Floatgläser 3 × 4 mm. Die Scheiben auf der Aussen und auf der Raumseite werden mit einer Wärmeschutzbeschichtung veredelt, und der Scheibenzwischenraum ist mit Edelgas, meist Argon, gefüllt.
Schutz vor Lärm, Hitze, Kälte, Brand und Einbruch kann Fensterglas all das gleichzeitig, oder muss man Prioritäten setzen?
Ein Fenster, das alles gleichzeitig erfüllt, gibt es nicht. Vor allem beim Brandschutz werden keine Kompromisse akzeptiert. Anforderungen an Wärme, Schall und Einbruchschutz können gleichzeitig in einem Isolierglas kombiniert werden. Je nach Schwerpunkt der Anforderungen muss man gewisse Kompromisse bei den anderen technischen Werten in Kauf nehmen.
Sonnenschutz und Wärmeschutz, ist das nicht grundsätzlich ein Widerspruch?
Je nach Anforderungen kann man den Sonnen und den Wärmeschutz in einem Glas kombinieren. Hier spricht man vom U-Wert und vom g Wert. Der Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) ist die Masseinheit zur Ermittlung des Wärmeverlustes eines Bauteils. Je tiefer der U-Wert, desto kleiner ist der Wärmeverlust nach außen, und dementsprechend ist der Energieverbrauch geringer. Der Gesamtenergiedurchlassgrad (g-Wert) gibt an, wie viel der aussen auftreffenden Sonnenenergie ins Rauminnere gelangt. Für die optimale passive Sonnenenergienutzung sollte der g-Wert möglichst hoch, für eine Sonnenschutz Wirkung möglichst tief sein.
Im konventionellen Einfamilienhausbau wird der Sonnenschutz jedoch meistens nicht über das Glas, sondern mit Beschattungssystemen wie zum Beispiel Storen oder Jalousieläden gelöst. Somit kann die Sonnenenergienutzung (hoher-g-Wert) in kälteren Jahreszeiten helfen, Energiekosten zu sparen. Optimal wäre ein Glas, das besten Sonnenschutz im Sommer und besten Wärmeschutz im Winter sicherstellt. Zurzeit sind nur Annäherungen möglich. Es laufen zwar weltweite Entwicklungen in diese Richtung, aber noch kein Glas hat die Marktreife erreicht.
Starke Unwetter, heiße Sommer und kalte Winter: Kann man hinsichtlich der globalen Klimaerwärmung noch grossformatige Fenster verbauen?
Es hat Gründe, weshalb in den südlichen Regionen Europas-im Gegensatz zu unsdie Fenster tendenziell kleiner sind. Im Grundsatz gilt: Wärmeschutzgläser behalten ihre Eigenschaften auch im Sommer. Wenn der Energiegewinn durch gute Wärmeschutz gläser im Winter wieder für die Kühlung der Räume im Sommer verbraucht wird, dann hilft das sicherlich nur beschränkt, um die Klimaerwärmung zu bremsen. Somit sind grossformatige Fenster nur in Kombination mit gutem Sonnenschutz klimafreundlich zu verantworten.
«Das beste Fenster nützt Ihnen nur, wenn es auch am besten montiert wurde.»
Wie viel Technik bieten Fenster derzeit?
Die heutigen Fenster sind jetzt schon Hightechprodukte. Es gibt kein anderes Bauteil an einem Gebäude, an das so viele Anforderungen gestellt werden.
Welche technischen Fortschritte sind in den nächsten Jahren zu erwarten?
Intelligente Fenster (Smart Home und Smart Building), schaltbare Gläser, Hybrid System (Verbund verschiedener Materialien) sind sicherlich die Themen, mit denen sich momentan viele in der Branche vertieft befassen.
Wohin geht der Trend hinsichtlich Design?
Schlanke Profile, kubische Formen, grosser Glasanteil und Farbvielfalt sind die Schlagwörter, wenn es um Design Trends geht.
Was möchten Sie Bauherrschaften mit auf den Weg geben?
Bei der Wahl des richtigen Fensters lohnt sich ein Vergleich der Produkte und der Anbieter. Suchen Sie sich eine professionelle Firma Ihres Vertrauens. Fenster sind nicht gleich Fenster. Bezüglich Qualität, Innovation, Design und Ausstattungen gibt es enorme Unterschiede. In diesem Zusammenhang darf auch die Montagequalität nicht vergessen werden. Das beste Fenster nützt Ihnen nur, wenn es auch am besten montiert wurde.