Geometrie mitten im Grünen

Inmitten eines ruhigen Quartiers in Bellinzona erfüllte sich die Familie Bacciarini ihren Wunsch vom Eigenheim. Die charakterstarke Architekturperle steht im direkten Dialog mit der Natur und überzeugt mit hochwertigen Materialien.

Geometrie mitten im Grünen
In einem ruhigen Wohnviertel in der Nähe von Bellinzona, umgeben von einer malerischen Berglandschaft, hat die Bauherrschaft ihr Eigenheim realisiert.

Text Nuria Peón | Fotos Holger Jacob

Unweit des Zentrums von Bellinzona befindet sich das ruhige Einfamilienhausquartier, in dem sich die Familie Bacciarini 2013 ein Grundstück erwarb. «Die Gegend hat uns von Beginn an sehr gefallen. Die Umgebung ist ruhig und naturnah, was wir sehr schätzen», erläutert der Bauherr David Bacciarini, der gemeinsam mit seiner Frau Tatiana zwei Kinder im Primarschulalter hat. Links und rechts der schmalen Strasse, die durch das Quartier führt, reihen sich traditionelle Häuser mit Satteldach, die alle in warmen Gelb- und Orangetönen gehalten sind. Nur ein Gebäude tanzt hier aus der Reihe: das der vierköpfigen Familie Bacciarini. Statt einer Holzveranda und des klassischen Fassadenverputzes in sanftem Orange trifft man auf Betonmauern, vergraute Holzlamellen und kubische Architektur.

Geometrie mitten im Grünen
Das Einfamilienhaus fällt im Quartier durch seine zeitgemässe geometrische Architektur auf. Die überdachten Auto­abstellplätze befinden sich direkt an der Quartierstrasse. | Der direkte Bezug zur grünen Naturlandschaft war den Bauherren sowie den Architekten sehr wichtig.

Das sei zudem Sinn und Zweck des Entwurfs gewesen, erklärt der Tessiner Architekt Michele Arnaboldi, den die Familie 2014 mit dem Projekt beauftragte: «Der Wunsch, anders auf die Umgebungsbedingungen wie die Strasse, den Garten und die benachbarten Häuser zu reagieren, führte zu dieser Formensprache.» Kennengelernt hatten sich die Bauherrschaft und der Architekt über einen gemeinsamen Bekannten, zuvor hatten sich David und Tatiana Bacciarini aber bereits auf der Website des Architekturstudios umgesehen. «Die Referenzprojekte entsprachen vollkommen unseren architektonischen Vorstellungen», ergänzt Tatiana Bacciarini. Die Planungsphase dauerte ganze zwei Jahre, die Ausführung hingegen erfolgte innert einem Jahr. Im Mai 2018 konnte die vierköpfige Familie mit ihrem Hund schliesslich einziehen.

Dynamik und gestalterische Freiheit
Von der Strasse hat man direkten Zugang zum überdachten Autoabstellplatz, auf dem zwei Wagen grosszügig geparkt werden können. Links davon leitet eine Stahlgittertür zur Aussentreppe aus Beton, die schliesslich zum Hauseingang hochführt. Was strassenseitig von Betonmauern und dichten Hecken verdeckt wird, offenbart sich nun beim Erreichen der obersten Treppenstufe: Eine prächtige Wiese umgibt das ganze Gebäude, hier und da wachsen junge Bäume und Pflanzen, im Hintergrund ragt eine spektakuläre Bergkulisse in den Himmel. «Ich liebe unseren Garten», erzählt Tatiana Bacciarini, während sie durch ihr Eigenheim führt, und fügt an: «Wenn alles zu blühen beginnt, ist es draussen traumhaft.» Sie setzten auf eine Bepflanzung, die für Privatsphäre sorgt und dem Haus eine persönliche Note verleiht.

Bei näherer Betrachtung des Gebäudes wird ersichtlich, dass sich dieses aus zwei architektonisch völlig unterschiedlichen Volumen zusammensetzt: Das Erdgeschoss ist, bis auf den Bereich der Hauseingangstür, komplett verglast. Das Obergeschoss ist im Gegenzug komplett mit Holzlamellen eingekleidet – Fenster und Balkone inklusive. Dazu sagt der Architekt: «Das obere Geschoss ist den Schlafzimmern gewidmet, diese Intimität wollten wir unbedingt respektieren. Damit dennoch ein Bezug zur Natur besteht und Tageslicht eindringt, entschieden wir uns für eine durchgehende Lamellenverkleidung aus Zedernholz.» Diese bietet einen ausreichenden Sichtschutz und erlaubt es, von den Zimmern aus den Ausblick zu geniessen. «Wir hatten sehr viel gestalterische Freiheit beim Entwerfen», erinnert sich der Architekt. Die Bauherrschaft hatte einzig klare Vorstellungen bezüglich der Raumaufteilung und der Materialisierung in Sichtbeton und Holz. «Sehr wichtig war uns, dass man den Wohnbereich nahtlos mit dem Garten verbinden kann und dieser als einheitlicher Raum wahrgenommen wird», ergänzt die Hauseigentümerin Tatiana Bacciarini. Für alle weiteren Elemente konnte das Architekturstudio die Familie stets mit seinen Vorschlägen überzeugen. So auch von der Lamellenverkleidung in Zedernholz, um eine zurückhaltende Dynamik zu erzeugen.

Hochwertige Materialien in Harmonie
Die Wohnfläche von 170 m² ist insgesamt auf drei Stockwerke verteilt. Im Untergeschoss, der mit Betontreppe direkt mit dem Eingangsbereich verbunden ist, liegen Keller, Technikraum und Hobby- beziehungsweise Gästezimmer sowie ein Gästebad. Schmunzelnd erzählt die Bauherrin, dass es sich im Hobbyraum inzwischen ihr Hund gemütlich gemacht habe: «Es gefällt ihm dort, und wir benutzen den Raum in letzter Zeit nur vereinzelt, um Sport zu machen.» Eine grosszügige Fensterfront flutet den Raum mit Tageslicht und erlaubt den Blick auf ein Blumenbeet in Hanglage. Im Technikraum befinden sich Waschmaschine und Tumbler sowie die Luft-Wasser-Wärmepumpe.

Geometrie mitten im Grünen
Blick vom Balkon des Elternzimmers zum Kinderzimmerbalkon. Die überdachten Hohlräume schaffen besondere Aussenräume auf der Gartenterrasse. | Geschickt genutzter Raum: Der Durchgangsbereich im Ober-geschoss wurde in ein Büro für die ganze Familie verwandelt.

Das Erdgeschoss ist komplett offen gestaltet. Hier sind Wände und Decken in Sichtbeton gehalten, der Boden besteht aus hochwertigen Granitplatten. Ein Kubus, definiert von einer tragenden Betonwand im Wohnzimmer und massgefertigten Einbauschränken im Foyer beziehungsweise im Durchgang, versteckt die Treppen, die sowohl in das Unter- als auch in das Obergeschoss führen. Beide Treppen wurden platzsparend an derselben Stelle geplant und sind nur sichtbar, wenn man direkt vor der Öffnung des Kubus steht. Vom Eingang aus führt rechts an dieser Kons­truktion vorbei ein langer Durchgang direkt in die Küche, links vorbei gelangt man in den Wohnbereich samt Cheminée und weiter in den Essbereich und in die Küche. Letztere ist schlicht in Weiss gehalten und besteht aus einer Küchenzeile mit Hochschränken und ergonomisch platzierten Küchengeräten sowie aus einer Insel, die enorm viel Stauraum zur Verfügung stellt. Im ganzen Haus herrscht ein entspanntes Ambiente, jedes Dekorations- und Möbelstück ist minimalistisch-hochwertig und gezielt ausgewählt, wie die Bauherrschaft erklärt: «Wir haben unsere Möbel nach dem Raumkonzept ausgewählt, wobei wir viel Wert auf Qualität und lineares Design gelegt haben. Die Objekte sollten die Architektur nicht stören, sondern diese dezent aufwerten.»

Ständiger Dialog mit der Natur
Eine Besonderheit des Hauses ist, dass sich die durchgehende Glasfensterfassade an zahlreichen Stellen öffnen lässt. So ist es möglich, von jedem Bereich im Erdgeschoss den Garten zu betreten und den Aussen- mit dem Innenbereich verschmelzen zu lassen. Der äussere Wohnbereich mit Esstisch und Loungemöbeln befindet sich direkt beim Wohnzimmer. Dank der raffinierten Konstruktion der Zimmerbalkone entstehen überdachte Zonen im Freien. «Wir haben die Holzlamellenfassade im Obergeschoss durchgezogen, sodass zwischen den Zimmerbalkonen überdachte Hohlräume entstehen. Diese schaffen nun im Gartenbereich das Gefühl eines überhohen Raums unter freiem Himmel», erläutert der Architekt Michele Arnaboldi.

Geometrie mitten im Grünen
Zugang zum Balkon hat man von der Mastersuite entweder vom Schlafbereich oder vom Badezimmer. Bei Letzterem sind die Fenster mit Milchglas versehen.

Eine optisch schwebende Holztreppe führt in die oberste Etage, wo die Schlafzimmer sind. Hier geben zurückhaltende Farben und warme Materialien den Ton an: Boden und Decke bestehen aus Eiche, die Wände sind mit Gipskartonplatten verkleidet. Der Bereich rund um die Treppe wurde nicht einfach als Flur belassen, sondern mit raffinierten Konstruktionen als gemeinschaftliches Büro gestaltet: Entlang der Treppenbrüstung ist beispielsweise eine horizontale Holzplatte montiert, die als Schreibtisch für die ganze Familie dient. Und die Wand gleich neben dem Elternschlafzimmer wurde in ein grosszügiges Bücherregal umgewandelt. Ein Oberlicht direkt über der Treppe flutet diesen Raum mit Tageslicht und schafft ein freundliches Ambiente.

Die Schlafzimmer befinden sich alle auf der gleichen Seite. Sie sind zur Südseite hin komplett verglast und verfügen über einen eigenen Balkon. Dank der durchgehenden Holzverkleidung ist es möglich, den Ausblick auf die Berge zu geniessen und dennoch einen intimen Aussenraum zu haben. Die beiden Kinderzimmer, die nebeneinander liegen, sind gleich gestaltet – und sie nutzen gemeinsam eine Schrankwand, deren Aufteilung nur jeweils von einer Seite her zugänglich ist. Das Kinderbad mit Badewanne ist im offenen Durchgangs- beziehungsweise Bürobereich angesiedelt. Das Elternschlafzimmer hat ein Bad en Suite mit Dusche und Bidet sowie einen begehbaren Kleiderschrank.

Geometrie mitten im Grünen
Ausblick und Privatsphäre zu-gleich bieten die Holzlamellen in der oberen Hausetage, wo sich die Schlafzimmer befinden.

«Das Ergebnis ist ein perfektes Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Bauherrschaft, den Gestaltungsmerkmalen der Architekten und dem Know-how der beteiligten Handwerker», fasst der Architekt das Projekt zusammen. Auch die Familie Bacciarini ist nach wie vor wunschlos glücklich: «Wir hätten nichts anders gemacht – uns gefällt unser Haus so, wie es ist!»

 

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]
Michele Arnaboldi Architetti, ma-a.ch

[ KONSTRUKTION ]
​Sichtbeton | Hinterlüftete Fassade aus Zedernholz | Flachdach

[ Raumangebot ]
Nettowohnfläche: 170 m² | 3 Schlafzimmer, 1 Gäste-/Hobbyzimmer

[ Ausbau ]
Wände: Sichtbeton, Gipskartonplatten | Boden: Granit, Eichenparkett | Decken: Sichtbeton, Eiche | Fenster: natürlich oxidiertes Aluminium

[ Technik ]
Luft-Wasser-Wärmepumpe | Bodenheizung

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