Geometrie spielt auf weissem Grund
Die Fensterfront dieses Privathauses am Neuenburgersee erinnert in ihrer Form an ein Satteldachhaus. Diese Kontur wiederholt sich beim kubischen Neubau, der von spannungsreichen Gegensätzen lebt, insgesamt drei Mal.
Wie ein Würfel sinkt der Kubus leicht in das hangab fallende Grundstück ein. Der Eingangsbereich bildet einen Ausschnitt in Form eines Hauses mit Satteldach und zieht den Ankommenden förmlich hinein. Ein dunkler Ziegelsteinboden weist dazu den Weg nach in nen. Das weisse Haus im Kanton Freiburg begrüsst einen freundlich mit seiner hellen Farbe. Für Respekt aber sorgt beim Besucher die puristische Architektur: 4,35 Meter hoch ist das Entree, das den ersten Bereich des dreiteiligen Raumkonzepts im Erdgeschoss bildet. Auf dieses folgt der Essbereich mit angrenzender Küche, die in einer fensterlosen, in Weiss gehaltenen Nische positioniert ist. Im Rücken der Küche liegt der See. Der Ausblick bleibt hier verborgen. Im Wohnzimmer dagegen, das über einen vierstufigen Treppenabgang er schlossen ist, ist der Blick auf das Panorama des Neuen burgersees frei, und das dank einer raumhohen Verglasung, die ebenfalls an ein Haus mit Satteldach erinnert. Mit dem Blick auf das Wasser, das in der Sonne hellblau und türkis glitzert, beginnt für Seele und Geist sogleich der Urlaub. Die Kontur des Fensters zieht sich als kleiner Dachüberhang über eine schmale Terrasse weiter, bevor diese mit einem kleinen Absatz endet und das Feld dem Garten überlässt. Vor allem die Positionierung des Hauses betont Weite und Grosszügigkeit des Seepanoramas. Es befindet sich über 40 Meter entfernt von der Klippe, hinter der ein Naturschutzgebiet beginnt.
Freiräume definieren den Rahmen
Es war ein mutiger, aber wirksamer Handgriff, das ang gezogene Grundstück, seinen leicht hangabfallenden Verlauf und damit den Ausblick auf den See zu kanalisieren. «Ich arbeite nicht mit einem 100 prozentigen Ausblick, sondern spiele mit dem Verhältnis und verleihe der Umgebung dadurch eine noch grössere Bedeu tung», erklärt Architekt Pablo Girona. «Der Vorschlag, einen Drittel der seeseitigen Fassade auf Höhe der Küche mit Technik und Stauraum zu verschliessen, erstaunte die Hausbesitzer zuerst», fährt er fort. Das zweite hand werkliche Element, das der Architekt bei diesem Neubau wirksam einsetzt, ist jenes der Subtraktion. Ausgehend von einem Quader, hat er insgesamt drei Mal die Form eines Hauses mit Satteldach ausgeschnitten. Zurück bleiben drei Freiräume in ebendieser Form, aber mit unterschiedlichen Höhen sowie mit der Ausrichtung in drei verschiedene Himmelsrichtungen. Besonders die von der Fassade zurückversetzte Fensterfront erinnert an einen Puzzledeckel mit einer Öffnung für einen Baustein in der Form eines Hauses.
Bei der Architektur insgesamt, aber auch bei der Raumabfolge setzt Pablo Girona Gegensätze in Wechsel wirkung zueinander wie Licht und Schatten, Tag und Nacht, Ost und West. Stets folgen diese Ausschnitte, welche die Silhouette eines archetypischen Satteldachhauses nachzeichnen, einem geometrischen Spiel und zonieren das Innenleben. Gerade die Satteldachformen im Ess und Wohnbereich werden von Lampen betont, die an unterschiedlich langen Seilen von der Decke hängen und die abends wie Sterne am Firmament anmuten. Sie unterstreichen die unterschiedlichen Raumhöhen sowie die kreative Grosszügigkeit des Hauses, die im Wohnzimmer stattliche 5,65 Meter misst. «Alles dreht sich um Stimmung, Atmosphäre und Ambiente», sagt Pablo Girona. Genau diese Aspekte betont auch das Bauherrenpaar, das sich vom Architekten ein atypisches.
Haus wünschte, das keinem vorgegebenen Trend entspricht. «Jeder Raum in unserem Zuhause hat seine eigene Atmosphäre mit einem anderen Ausblick in die Umgebung. So befinden wir uns immer wieder an einem neuen Ort im Haus, was sehr angenehm ist», beschreiben die beiden Hausbesitzer das Wohngefühl. Zentral für das Ambiente im Neubau ist aber auch das verbaute Smart Home System von der Firma Crottet. Neben dem Licht steuert das Hausautomationssystem die Heizung, die Kühlung, die Kamera, die Storen sowie die Musik. «Jeder Raum lässt sich mit dem System individualisieren und ergänzt somit die Architektur. Die Verbindung zur Wetterstation ermöglicht ein perfekt intelligentes Haus, das alles für uns erledigt, was wir benötigen», lobt das Bauherrenpaar.
«Alles dreht sich um Stimmung, Atmosphäre und Ambiente.»
Das in Weiss gehaltene Haus widerspiegelt das Farbempfinden der Bauherrschaft, das in langen Gesprächen, in denen Vorstellungen und Wünsche kommuniziert wurden, aber auch Fragen auf offene Ohren und viel Raum stiessen, ermittelt wurde. Der im Erdgeschoss mit quadratischen, kleinen, hellgrauen Steinen geflieste Boden vermittelt dafür Ruhe und Bodenständigkeit. Etwas, das es braucht, damit man gemeinsam die Komfortzone verlassen kann. Denn die Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft beschreibt der Architekt als anspruchsvoll: «Zusammen haben wir die Komfortzone verlassen, um mit unserer Vorstellungskraft weiter, vor allem aber den offenen Fragen und Entscheiden auf den Grund zu gehen.»
So ging es bei der Planung, der Zeichnung und der Gestaltung vor und zurück. Auf Konzepte folgten das Innehalten, das Sichzurücknehmen, ein Schritt zurück, um dann mit einem neuen Denkansatz von vorn zu beginnen. «Meist kamen wir zur ursprünglichen Idee zurück», sagt der Architekt. So verhielt es sich mit den Formen und dem Architekturstil, der puristisch und modern anmutet. Auch bei der Wahl der Lampen wurden verschiedene Möglichkeiten besprochen. Schliesslich fand man gemeinsam die Pendelleuchten. Pablo Girona betont mehrfach, es brauche Zeit, solch langfristige Entscheide zu fällen, gerade dieses wiederholte Vor und Zurück, sich um eine Entscheidung zu drehen, sei ausschlaggebend.
Das Spiel mit Kontrasten
Die Einrichtung von Forme + Confort sowie dem Möbelhaus Bise spricht eine leichte, aber warme Sprache mit einer dezenten nordischen Note. Unaufgeregt nimmt das Mobiliar seinen Platz ein, gestützt vom Fussboden mit mediterranem Flair. Nebenan ist die Küche aus der Feder der Binggeli Schreinerei AG kubisch in mattem Weiss in einer fensterlosen Nische. Über der Kochinsel mit Spülbecken sorgen drei Hängelampen im gleichen Farbton in Kombination mit den Deckenspots für Licht am Abend. Tagsüber ist das vor dem Esstisch liegende raumhohe Fenster ein imposanter Lichtspender.
Dass sich beim Aufstieg in den ersten Stock etwas ändert, bemerkt man bereits auf der ersten Treppenstufe. Nicht nur das warme Gefühl der massiven Eichenholztreppe verrät, dass man in jenem Hausteil ankommt, wo Rückzug, Geborgenheit und Privatsphäre die Hauptrolle spielen. Der warme Holzdielenboden kontrastiert die Architektur: Das Obergeschoss ist kubisch, mit deutlich geringerer Raumhöhe als das Erdgeschoss konzipiert. Im Hausteil zum See führt ein Korridor zunächst zum Masterbadezimmer, das sich in einem warmen Grauton mit Platten an Boden, Wand und Decke von Mosaico+ präsentiert. In seiner Ästhetik erinnert es beim Eintreten an einen Hamam. Auf das Badezimmer folgt die Ankleide, durch die man ins klein und schlicht gehaltene Schlafzimmer gelangt. Der malerische Ausblick festigt den Bildcharakter des quadratischen Fensters, das zum See hin liegt. Im hinteren Teil der Etage erreichbar über einen langen, schmalen Gang, der mit zwei Dachfenstern belichtet wird befinden sich zwei Zimmer und das Büro des Ehepaars.
Die Qualität der Kooperation
Bei der Rückkehr ins Untergeschoss und dem wiederholten Gang in den Garten ist schliesslich klar, was den Erfolg dieses architektonischen Wurfs ausmacht: besonders das Pingpong Konzept, auf dem die Kommunikation, die Planung und die Realisierung zwischen Bauherrschaft und Architekt basierte. «Ich bin stolz darauf, die Idee im Kopf, auf Papier und mit der Bauherrschaft zu dem entwickelt und gestaltet zu haben, was heute auf dieser Parzelle steht», sagt der Architekt. Wie selbstverständlich sinkt der Kubus in den Boden des hangabfallenden Grundstücks und verbindet sich so mit seiner Umgebung. Der Architekt ist überzeugt, dass eine solche Harmonie nur aus einem Grund entsteht: «Ein gutes Haus basiert auf guten Ideen und Qualitäten der Bauherrschaft.»
Nun fehlen noch drei Bäume, die den Kubus auf dem Areal ins Gleichgewicht bringen, und zwar an der linken Westfassade, damit das grosszügige Schlafzimmerfenster im Verhältnis zu seinem Ausblick steht. Dann braucht es Sichtschutz beim Esszimmer zu den Nachbarn. Zu guter Letzt soll noch ein Baum auf der Rückseite des Hauses zur Anfahrt positioniert werden. Denn erst dann, wenn Natur und Architektur in Einklang stehen, ist für Pablo Girona ein Haus in sich abgeschlossen.