Naturnah leben – und bauen

Die Bauherrschaft setzte bei der Realisation ihres Wohntraums im Kanton Schaffhausen auf regionale und natürliche Materialien.

Naturnah leben – und bauen
Der hölzerne Monolith ist aus lokalem Holz gebaut und ruht auf einem betonierten Untergeschoss, auf einem Kalkfelsen. Das betonierte Untergeschoss schützt vor eintretendem Wasser und fungiert in den warmen Monaten als Massenspeicher für kühle Luft.

Text Eva Hediger | Fotos Vladimir Vlajnic

Die heimischen Blumen und Gräser blühen, Bienen summen, und an den Bäumen reift das Obst. Mitten in diesem naturnahen Paradies in der Gemeinde Lohn steht das Zuhause eines Paares. Der Holzpavillon liegt eingebettet im ehemaligen Garten eines alten Herrenhauses. Dass sich der Bau möglichst sensibel und unaufdringlich in den Garten fügt, war der Bauherrschaft wichtig. Volumen und Kubatur des zukünftigen Zuhauses standen bereits fest, denn die Parzelle in der Ostschweizer Gemeinde wurde mit einem Projekt erworben.

Dieses entwickelte die Bauherrschaft mit einem neuen Architekturbüro, die BareissVontobel GmbH. Der verantwortliche Architekt Nick Bareiss ist der Sohn des Bauherrn. Entstanden ist ein hölzerner Monolith mit verschiedenen Dachniveaus, der sich harmonisch in die grüne Umgebung einfügt. «Von April bis Oktober gehört der Garten fix zur Wohnfläche», erklärt Architekt Nick Bareiss. Der Garten lässt sich von der Wohnküche in wenigen Schritten ebenerdig erreichen. Frische Kräuter und andere Kochzutaten sind so rasch geerntet. Im Sommer wird oft auf der Terrasse gegessen, gern auch mit Gästen.

Im Innern des Pavillons hat es ebenfalls genügend Platz für Besuch: Im Parterre sind einzig Schlafzimmer und die Nasszellen abgetrennt – der Rest der Wohnfläche ist offen. Die offene Gestaltung des grossen Wohnraums sei eine mutige Entscheidung gewesen, räumt der Architekt ein. Doch sie hat sich ausgezahlt. Bauherr Christian Bareiss schwärmt ob der Grosszügigkeit des Raums. Eine Rückzugsmöglichkeit bietet die Sofaecke. Hier ist die Decke etwas niedriger, wodurch ein heimeliges Gefühl vermittelt wird. Und das Cheminée sorgt besonders in den kalten Monaten für Stimmung.

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Die Gebäudeform strukturiert die Räume. So hat der Esstisch hier seinen perfekten Platz. Das Cheminée trennt diesen Bereich von der Küche.

Dass WC und Bad voneinander getrennt seien, sei dem «Reinlichkeitsgedanken» entsprungen, so Nick Bareiss: «In Japan ist das zum Beispiel üblich.» Doch ein weiterer praktischer Grund ist, dass so ein zusätzliches, rein für Gäste bestimmtes WC überflüssig ist. Die Nasszellen befinden sich gegenüber dem Schlafraum, getrennt durch einen Flur. Diese räumliche Distanz stellt sicher, dass der Frühaufsteher seinen Tag beginnen kann, ohne die andere Person zu wecken. Im Untergeschoss befinden sich neben Waschküche und Keller ein Gästezimmer mit Tageslicht. Es gibt zudem die Option, weitere Zimmer auszubauen – beispielsweise bei einem Besitzerwechsel.

Überzeugt von der Materialwahl
«Die Bauherrschaft hatte klare Vorstellungen von ihrem zukünftigen Zuhause», so Nick ­Bareiss. Dazu gehört, dass ausschliesslich naturbelassene und regionale Materialien verbaut wurden. Das Holz für den unbehandelten Riemenboden stammt aus einem 15 Autominuten entfernten Wald. Die Möbel in der Küche sowie im Badezimmer sind aus unbehandelter Ulme und vom Bauherrn Christian Bareiss selbst gebaut. Er besitzt eine Schreinerei. Aus Überzeugung hat er auf Lack verzichtet. «Die Dreischichtplatten wurden sanft geschliffen», erklärt er. «Eine Oberbeschichtung braucht es nicht, wenn das Klima trocken ist.» Auch in den Nasszellen wurde auf eine Behandlung des Holzes verzichtet. Das führe zu keinen Problemen, weil das Material die Feuchtigkeit aufnehme und abgebe, so Christian Bareiss. Weiter gebe es weniger Staubbildung, weil sich die Oberflächen nicht elektrisch aufladen würden. Ohnedies ist der Bauherr von den verbauten Naturwerkstoffen überzeugt. Die Fenster sind aus Holz und Metall, die Wände wurden mit Lehm verputzt. «Das sorgt aktiv für ein optimales Raumklima», erklärt der Architekt Nick Bareiss. Selbst hartnäckige Essensgerüche wie beispielsweise nach einem Fondue werden rasch absorbiert.

Naturnah leben – und bauen
Die unbehandelten Holzfronten der Küche wirken durch die unterschied­lichen Farbnuancen sehr dynamisch und harmonieren mit den Massivholzdielen.

Die Bauherrschaft wünschte sich, dass das Haus möglichst autark ist: Die vielen Nutzpflanzen lassen zumindest teilweise eine Selbstversorgung zu. Die Photovoltaikanlage auf dem Dach sorgt für Strom. Im Garten wurde ein Tank vergraben, der rund 5000 Liter Regenwasser fasst. Das Wasser wird unter anderem für die WC-Spülung verwendet. Geheizt wird über einen Fernwärmeverbund per Schnitzelheizung. Auch Warmwasser wird so erzeugt. Der Dämmwert des Hauses entspreche zwar dem Minergie-Standard, so Nick Bareiss: «Zertifiziert ist der Neubau allerdings nicht.» Dazu benötigte es nämlich eine standardisierte Lüftung. Er und sein Team wollen aber möglichst wenig Technik in den Häusern verbauen.

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Die Decken und Wände aus Massivholz respektive Lehmputz beeinflussen die Luftqualität positiv. Die hohe Decke lässt den schmalen Flur grosszügig wirken. | Die bodenebene Dusche ist als Nische konzipiert und mit LED-Streifen in Szene gesetzt.

Klare Visionen
Es sei wichtig, sich an dem Ort wohlzufühlen, wo man bauen werde – egal, ob dieser direkt neben einer Kuhweide oder am Meer liege, erklärt der Architekt: «Verlieben Sie sich in den Ort!» Ausserdem sei es wichtig, als Bauherr-schaft die eigenen Sehnsüchte genau zu kennen. «Nur weil gewisse Materialien gerade zeit­gemäss sind, heisst das nicht, dass es für jede oder jeden das Richtige ist.» Er rät, sich seinen eigenen Bedürfnissen bewusst zu werden und diese niederzuschreiben. «So können die Wohnträume verwirklicht werden.»

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Wie in der Küche sind die Möbel im Bad vom Bauherrn selbst gefertigt, der Schreiner ist. Die Fronten sind aus unbe­handeltem Tannenholz.

Die Bauherrschaft fühlt sich in ihrem Holzpavillon wohl: «Wir würden nichts ändern wollen.» Dass das Resultat so stimmig ist, liegt mitunter am mangelnden Zeitdruck. Anders als bei sonstigen Projekten wurde beispielsweise die Küche erst geplant, als der Bau schon stand. So mussten sich Architekt und Bauherrschaft nicht auf ein Modell verlassen, sondern konnten vor Ort Entscheidungen fällen – und den Raum auf sich wirken lassen. «Das ist natürlich ein seltener Luxus», so Nick Bareiss.

 

TECHNISCHE ANGABEN

[ ARCHITEKTUR ]
Bareiss Vontobel GmbH, bareissvontobel.ch

[ KONSTRUKTION ]
Holzrahmenbau, konventionell | Flachdach mit Hohlkammerelementen

[ Raumangebot ]
Bruttowohnfläche: 220 m² |  Anzahl Zimmer: 4,5

[ Ausbau ]
Wandbeläge: Lehmbauplatte, Lehmputz | Bodenbeläge: Vollholzparkett aus heimischer Douglasie, geseift | Decken: Hohlkammerelemente Fichte Sicht

[ Technik ]
Fernwärme, Schnitzelheizung für Wärme und Warmwasser | Photovoltaik | Regenwassertank

 

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