Naturverbundenes Familienhaus

Ein Jahr nach ihrem Architekturstudium hat Danja Gunziger ein Familienrefugium entworfen – ein Haus aus nachhaltigen Baustoffen mit energieeffizienter Hülle und Photovoltaikanlage, rücksichtsvoller Architektur und viel Charme.

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Auf einem Dreieckgrundstück mit leichter Hanglage ruht der Ersatzneubau. Architektonische Besonderheit ist das versetzte Pultdach.

A edermannsdorf ist ein kleines Dorf im Kanton Solothurn. Der Gemeindebann liegt im Naturpark Thal im Solothurner Jura und ist von der Landwirtschaft geprägt. Auf einem Feldweg, der zum Haus führt, wird die angenehme Stille nur durch das fahrende Auto unterbrochen. Dieses muss wohl die kleine Gruppe Rehe erschreckt haben, die mit ihren grossen Augen zum Gefährt blickten, ehe sie schnell davonsprangen. «Es ist sehr heimelig hier in Aedermannsdorf. Ab und zu hört man auch Alphornmusik», sagt die Bauherrin, als sie von der Begegnung mit den Wildtieren hört. Das Alphorn in der Stube verrät, dass je­mand in der Familie ebenfalls das traditions­reiche Instrument spielt – der Bauherr Markus Gunziger. Die Pflege der Tradition der Gemein­de kann man bereits erahnen, wenn man die umliegenden Häuser mit ihren Satteldächern betrachtet. «Ich hätte Hemmungen gehabt, hier einen Flachdachbau hinzustellen», sagt Danja Gunziger und spricht sogleich die Be­sonderheit dieses Hauses an: das versetzte Pultdach. Es mache die Raumstrukturen inte­ressanter. «Im Erdgeschoss ist die Decke flach, im Obergeschoss erzeugt die Dachschräge eine gemütliche Stimmung», erklärt sie. Abge­sehen davon, bringen das Oberlichtband und die Dachfenster viel Tageslicht herein. So kann man sich in klaren Nächten vom Bett aus vom Sternenhimmel verzaubern lassen.

Offene Raumstruktur mit Raffinesse

Das Erdgeschoss ist durch einen Kubus, die Treppe mit Einbauschränken und ein Splitlevel zoniert. Die einzige Tür ist die Schiebetür des Tages­WCs. Der Kubus beherbergt den Vor­ratsraum mit Eingang neben der Küche und rundum Stauraum für die Garderobe beim En­tree sowie für Alltagsgegenstände auf den an­deren Seiten. Darin versteckt sind die lediglich zwei tragenden Stützen sowie die offen zu­gänglichen Leitungen. Das ist besonders prak­tisch, wenn Reparaturen anfallen oder wenn man zu einem späteren Zeitpunkt die Technik wie beispielsweise die Gebäudeautomation auf den neuesten Stand bringen möchte. Die Trep­pe schliesslich bietet einen Hohlraum für die Waschmaschine und bildet eine Trennwand zum Wohnzimmer, das die Bauherrin als «Koje» bezeichnet. Diese liegt, mit wenigen Treppenstufen verbunden, auf einer leicht nach unten versetzten Ebene und stellt so, zu­sammen mit dem grosszügigen Fenster, eine direkte Verbindung mit dem Aussenraum her.

Die Familienfreundlichkeit der Architek­tur kommt am stärksten mit den eingebauten Sitzgelegenheiten und den Stauraumlösungen zur Geltung: Die Koje bietet viel Platz für die Familie und ihre Gäste, wobei die Sitzflächen aufklappbar sind und Kuscheldecken, Deko­material und mehr verwahren. Beim Essbe­reich ist über die gesamte Länge die Sitzbank mit herausnehmbaren Schubladen bestückt, sodass das Kind selbstständig seine Spielsa­ chen erreichen und verstauen kann. So macht das Haus stets einen aufgeräumten Eindruck. Einzigartig ist das Liegenetz im Obergeschoss, das man schon in der Stube wahrnimmt. «Wir wollten den Essbereich mit einer Galerie gross­zügig gestalten, aber ein Geländer hätte den Raum im Obergeschoss zusammen mit der Dachschräge zu sehr eingeengt. So kamen wir auf die Idee, ein Netz zu spannen.» Damit bleibt der Raum luftig, und die ansonsten ver­loren gegangene Fläche kann effektiv genutzt werden. «Ein Seiler in der Nähe hat die Mass­anfertigung für uns gemacht. Das Netz ist si­cher und hält bis zu 150 Kilogramm pro Qua­dratmeter», erklärt Danja Gunziger. Die Sicher­heit demonstriert sogleich der eineinhalbjähri­ge Sohn, als er vorsichtig und selbstständig auf dem Netz zu den Bilderbüchern tappt.

Bewegt man sich im Haus, wird die Idee von unterschiedlichen Raumstrukturen erleb­bar. Kein Raum gleicht dem anderen. Durch­blicke und Ausblicke stellen eine Verbindung zwischen den einzelnen Bereichen und zum Aussenraum mit Kräuterbeet her. Streicht man mit der Hand über die Wände, spürt man die weichen, griffigen Fasern des Fichtenholzes. Es vermittelt Behaglichkeit, sodass man sich als Gast sofort wohlfühlt.

Bauweise mit ökologischem Anspruch

Bei diesem Einfamilienhaus handelt es sich um einen Ersatzneubau. «Wir haben drei Jah­re im bestehenden Haus gelebt. Es war kom­pakt und hatte nur einen kleinen Balkon mit Platz für einen Tisch und zwei Stühle», erzählt die Bauherrin. Zuerst dachten sie und ihr Mann über einen Umbau nach, schliesslich fiel der Entschluss, basierend auf dem Grundriss des bestehenden Kellers, einen neuen Baukör­per zu errichten. «Weil wir bereits zusammen in dem Haus lebten, fiel es uns leicht, die An­forderungen an das zukünftige Haus zu for­mulieren», erklärt Danja Gunziger. Der Ersatz­neubau sollte grosszügige Räume formen und mehrere direkte Zugänge zum Garten haben. «Mein Mann und ich waren uns schnell einig, dass wir mit Holz bauen wollten. Ich liebe Holz, er als gelernter Zimmermann ebenso.» Ihr Haus sollte auch energieeffizient und öko­logisch sein. Sie strebten das Zertifikat Miner­gie P Eco an, das für einen Niedrigstenergie­bau mit höchsten Ansprüchen an Qualität, Komfort und Energie sowie Ökologie steht. «Den Eco­Zusatz konnten wir leider nicht er­reichen, da aus statischen Gründen nicht über­all Recyclingbeton eingesetzt werden konnte», erklärt Danja Gunziger. Die übrigen Kriterien für das Zusatzzertifikat, welche die gesund­heitlichen Aspekte sowie die Bauökologie um­fassen, sind dennoch erfüllt. So wurde mit re­cycelter Zellulose und Schafswolle gedämmt. In den Schlafzimmern sowie Badezimmern reguliert Lehmputz die Luftfeuchtigkeit. Der Boden ist ebenso nachhaltig: Linoleum wird aus biologisch abbaubaren Stoffen wie Leinöl, Naturharz, Kork­ oder Holzmehl, gemahlenem Kalkstein und einem Jutegewebe als Träger­schicht hergestellt. Das Material ist zudem fusswarm, strapazierfähig, langlebig und pfle­geleicht, was für die Eltern mit Kleinkind und Haustier von grossem Vorteil ist. «Linoleum wird auf Bahnen produziert. Da sich die Farbe von Produktionslauf zu Produktionslauf unterscheiden kann, haben wir ein paar Meter mehr auf Vorrat bestellt, für den Fall, dass wir später einmal einen beschädigten Teil des Bodens renovieren müssten.»

Mit Herzblut und Schweissperlen

Als Koje bezeichnet die Bauherrin den Wohnbereich. Die ein­gebaute Sofalandschaft hat aufklappbare Sitzflächen mit Stauraum. Die Polster sind Massanfertigungen. Links von den Treppenstufen lässt sich der Boden aufklappen, sodass man von hier aus zum Keller gelangen kann.

Einerseits weil die Holzelemente vorfabriziert wurden, andererseits weil beide über das nöti­ge Fachwissen verfügen, um viele Arbeiten selbst zu bewältigen. Ein ganzes Jahr lang hat Danja Gunziger ihre Freizeit für die Planung aufgewendet. Den Rückbau hat ihr Mann in die Hand genommen. Gemeinsam haben sie die Dämmung zum Untergeschoss verlegt, die Bodenheizungs-und Lüftungsrohre hineingezogen, das Sichtholz mit Seifenlauge behandelt und beim Aufrichten des Holzbaus geholfen. Sie haben ebenso die Platten auf der Terrasse und die Schieferplatten in der Dusche verlegt, die Zimmerwände ausgedämmt und mit Lehmbauplatten beplankt. Als Zimmermann hat der Bauherr die Eichenholzeinfassungen, die als Stauraum und Sitzgelegenheiten im Essbereich und im Wohnbereich dienen, selbst gefertigt. Die Bauherrin hat mit ihrer Freundin die Verkleidungen in den Badezimmern umgesetzt. «Es war sehr anspruchsvoll, die Dachschrägen zu tapezieren», sagt sie lachend und erzählt weiter: «Gemeinsam haben wir zum Schluss die Fassade gerostet und verkleidet. Ich war jeden Mittag auf der Baustelle. Am ersten Tag, als die Wände aufgestellt wurden, konnten wir sehen, wie das Haus wird. Das war sehr eindrucksvoll.» Die grossen Fenster, die fast die gesamte Südfassade ausmachen, wurden noch vor den Dachelementen eingebaut und haben so für eine Prise Nervenkitzel gesorgt. Nach drei Tagen war das Haus fertig zusammengesetzt. Da die Innenseiten der Elementwände in Sichtholz beibehalten wurden, bestand das Risiko, dass sie beim Innenausbau beschädigt würden. Im Endergebnis sieht man, dass die Ausführungsarbeiten sorgsam erfolgt sind. «Es war spannend für mich, mit natürlichen Materialien modern zu bauen. Qualität sehe ich im Einfachen», sagt Danja Gunziger, die bewusst ruhige, zeitlose Farben wählte. Und wenn sich in Zukunft die Bedürfnisse der Familie ändern, lässt sich das Raumprogramm komplett umkrempeln, weil es wenige tragende Wände gibt.

Ein Jahr nach Abschluss des Architekturstudiums das eigene Haus zu entwerfen, ist ein Privileg. Für Danja Gunziger war es eine glückliche Fügung, die auch den vollen Einsatz des Ehepaars forderte, um den Bau zu realisieren. Unvoreingenommen stand sie dem Hausbau gegenüber und entwickelte ihre eigenen Ideen. «Räume zu entwerfen, die alle Sinne berühren und mit der Umgebung interagieren, ist meine grosse Leidenschaft.»

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