Ursprüngliches in neuer Funktion

Für den absoluten Wow Effekt sorgt bei diesem Einfamilienhaus vor allem der Innenausbau, der durch zweckentfremdete Container, Sichtbeton und Eichenholz den Hausbau auf eine neue Ebene bringt.

Im Obergeschoss ist der mit Containern ge- staltete Lebensraum klar ersichtlich, da sich über die Stahlquader hinweg das Haus in einem Satteldach erschliesst.
Im Obergeschoss ist der mit Containern gestaltete Lebensraum klar ersichtlich, da sich über die Stahlquader hinweg das Haus in einem Satteldach erschliesst.

Industriell, modern, pragmatisch das sind Begriffe, die man kaum mit dem Äusseren dieses Einfamilienhauses im Kanton Bern in Verbindung bringt. Unaufgeregt gliedert sich das klassisch anmutende Satteldachhaus mit seiner grauen Mauerwerkfassade in die länd­liche Gegend ein. Beim ersten Schritt ins Haus fällt der Vorhang, und mit dem Blick hinter die Fassade macht sich Überraschung in einer un­erwarteten Dimension breit: Denn im Entree steht man im ersten von acht Schiffscontai­nern, die dieses Haus und seine Räume for­men. Die in den Niederlanden bezogenen 9 Meter langen, knapp 2,7 Meter hohen und 2,35 Meter breiten Stahlquader schaffen in Verbindung mit poliertem Sichtbeton und ei­nem aufs Material abgestimmten Lichtkonzept ein stimmiges Ambiente im Industrial Style. Zu diesem modernen Look hätten die Bauher­ren tatsächlich gern ein Flachdach kombiniert, aber: «Aufgrund der Bau­-und Zonenordnung war das nicht möglich», sagt der Bauherr. Auch bei der Fassade war ursprünglich eine ungewöhnliche Ausführung geplant: «Wir wollten die Hohlräume der gewellten Containerfassade mit Wärmedämmung ausflocken und diese mit Eternit verkleiden, das wäre aber zu teuer gewesen», erklärt der Bauherr.

Ein warmer Holzboden führt zum Wohnbereich. Rechts rahmt die blaue Containertür die Treppe zum Obergeschoss. Hin- ter dem weissen Contai- ner links ist ein Kinder- zimmer und ein Reduit.
Ein warmer Holzboden führt zum Wohnbereich. Rechts rahmt die blaue Containertür die Treppe zum Obergeschoss. Hinter dem weissen Container links ist ein Kinderzimmer und ein Reduit.
Von aussen wirkt das Satteldachhaus mit sei- ner grauen Mauerwerk- fassade schlicht und konventionell. Der Blick hinter die Fassade aber überrascht.
Von aussen wirkt das Satteldachhaus mit seiner grauen Mauerwerkfassade schlicht und konventionell. Der Blick hinter die Fassade aber überrascht.
Durch die räumliche Gestaltung mit insgesamt acht Schiffscontainern wirkt der bewohnbare Raum im Haus grosszügig. Wohn- und Küchenbereich präsentieren sich in einem industriellen Look.
Durch die räumliche Gestaltung mit insgesamt acht Schiffscontainern wirkt der bewohnbare Raum im Haus grosszügig. Wohn-und Küchenbereich präsentieren sich in einem industriellen Look.
Das Hauptschlafzimmer verfügt über eine integrierte Ankleide sowie ein Bad en Suite.
Das Hauptschlafzimmer verfügt über eine integrierte Ankleide sowie ein Bad en Suite.

Raum zur Selbstverwirklichung

Während das junge Ehepaar hinsichtlich Fassade und Form gewisse bauliche Einschränkungen hinnehmen musste, konnte es beim Innenausbau kreativ aus dem Vollen schöpfen. Die Idee mit den Containern stammt vom Hausbesitzer. «Mich fasziniert die Zweckentfremdung von Materialien und Gegenständen», sagt er. Ursprünglich wollte er das einstige Elternhaus auf dem Sandsteingelände aus dem Jahr 1891 sanieren und mit Containern ergänzen. «Nach einer ersten Machbarkeitsund Kostenanalyse aber war klar, dass das zu teuer und zu aufwendig wird», erklärt der Bauherr weiter. An der Containerhaus-Idee hielten er und seine Frau aber fest. Auch der befreundete Architekt Bastien Humbert-Droz, Inhaber der Humbert Partner AG, fand das aussergewöhnliche Bauvorhaben spannend. Farblich setzte das Ehepaar auf zwei blau eingefärbte Container beim Entree und bei der Küche. Die restlichen Container sind weiss und setzen einen frischen Kontrast zum polierten Sichtbeton. In warmem Grau sind auch die Badezimmer mit Duschwänden aus Leichtschutz und fugenlosen Gussböden gehalten. Warmes Ambiente vermittelt der im ganzen Haus verlegte Eichenparkettboden. Holzelemente wiederholen sich in den beiden schlichten Badezimmern und im Tages-WC im Erdgeschoss. Das Untermöbel dort erzählt denn auch ein Stück Familiengeschichte: Ursprünglich war es ein Balken im alten Bauernhaus, das diesem Neubau gewichen ist.

Der graue Gussboden und die gleichfarbige Wand verschmelzen mit der grauen Containerinnenwand in diesem Badezimmer.
Der graue Gussboden und die gleichfarbige Wand verschmelzen mit der grauen Containerinnenwand in diesem Badezimmer.

Für moderne Eleganz steht die schwarze Küche, die mit Geräten von Gaggenau und Armaturen von Franke ausgestattet ist. In mattem Schwarz gesellen sich farblich passend die schwarzen Deckenspots, die eckigen Lichtschalter und die Industriestrahler, die wiederholt indirektes Licht im Haus ausstrahlen, zur Innenausstattung dazu. Auffallende, aber stimmige Blickfänge sind die einstigen Hallenbadspinde, die zur Garderobe umfunktioniert wurden. «Uns war ein einheitlicher Stil, der eine gewisse Wärme ausstrahlt und einen Kontrast zum kühl wirkenden Industrielook setzt, wichtig», erklärt die Bauherrin das Einrichtungskonzept des zweistöckigen Hauses.

Der Waschtisch im Tages-WC besteht aus einem Holzstück, das im einstigen Elternhaus als Balken diente.
Der Waschtisch im Tages-WC besteht aus einem Holzstück, das im einstigen Elternhaus als Balken diente.

Im Erdgeschoss befinden sich neben dem weitläufigen Wohnraum mit einer über die gesamte Containerbreite von 2,34 Metern verlaufenden Küche ein Reduit, ein Spielzimmer, der Technikraum und ein Tages-WC.

Aufgrund der fixen Containerlänge von 9 Me­tern wirkt das Haus im Inneren deutlich grösser und geräumiger als von aussen. An­grenzend an die Wohnebene befindet sich eine Doppelgarage, über der eine 3-Zimmer Einliegerwohnung liegt, die der Onkel des Bauherrn bewohnt.

Passend zum industriellen Flair der Container hat die Bauherrschaft alte Garderobenschränke eines Hallenbads als Garderobe eingesetzt – eine Trouvaille, die zeigt, dass die Bauherrschaft Wert auf Details legt.
Passend zum industriellen Flair der Container hat die Bauherrschaft alte Garderobenschränke eines Hallenbads als Garderobe eingesetzt–eine Trouvaille, die zeigt, dass die Bauherrschaft Wert auf Details legt.

Weiter denken, anders lösen

Über die zwischen Entree und Wohnzimmer positionierte Treppe gelangt man vom Erdge­schoss ins Obergeschoss, wo sich Gästezim­mer und Büro, Kinderzimmer, Badezimmer und Waschraum befinden. Den Abschluss der Zimmerabfolge macht ein grosszügiges Mas­terschlafzimmer mit integrierter Ankleide und einem Bad en Suite mit Walk­-in­-Dusche und Badewanne. Besonders auf dieser Etage nimmt man die einzelnen bewohnbaren Con­tainer bewusst wahr, da sich über ihren De­cken die Hauswand zu einem Satteldach mit integrierten Dachfenstern erhebt. Indirektes Licht, von Strahlern ausgehend, betont die Raumhöhe bis zum Giebel, was die sonst schon räumlich grosszügig bemessenen Container­zimmer noch grösser wirken lässt. «Irgend­wann bauen wir den Raum oberhalb der Con­tainer zu einer Galerie aus, um die vorhandene Fläche vollends auszuschöpfen», verrät der Bauherr weitere kreative Gestaltungsideen. Auch ans Alter haben die Eheleute beim Haus­bau gedacht. «Alle Durch­-und Übergänge sind rollstuhlgängig, auch die Treppe ist genü­gend breit», sagt die Hausbesitzerin.

Über einen Keller verfügt das Einfamilienhaus nicht. Das, weil der Untergrund aus Sandstein besteht und ein umfangreicher Aushub eine zu grosse finanzielle Last bedeutet hätte. Das Raumprogramm liess sich überirdisch gut realisieren. In sich wirkt das Haus von aussen bis innen durchdacht. «Besonders die Details waren eine Herausforderung», wie der Bauherr sagt. Gewisse Fragen haben viel Zeit in Anspruch genommen, zum Beispiel wie mit den Leitungen im Haus umgegangen werden soll, ob und wo man Schrauben in den Containerstahl bohrt oder wo man darauf verzichten kann und wie man die Hohlräume zwischen Holzboden und gewellter Containerwand schliesst. «Dafür braucht man gute Handwerker, die mitdenken und lösungsorientiert arbeiten», sagt der Bauherr lobend. Die Bauherrin fügt hinzu: «Für alle Beteiligten war die beispiellose Materialisierung eine Challenge, die Spass gemacht hat.»

Auch nach einem Jahr im neuen Zuhause hält die Freude über das ungewöhnliche Fa­milienhaus beim Ehepaar an. Über den gängi­gen Tellerrand hinauszuschauen, andere Wege zu beschreiten, den Mut haben zu träumen: So bekommt Ursprüngliches eine neue Seele.

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