Westwärts

Organisch verläuft das Einfamilienhaus entlang der Form und der Falllinie des Areals. Die Ausstattung mit ihren dunklen Farben richtet sich nach der Weite und der Helligkeit in den Wohnräumen, die mit einem detailliert gestalteten Lichtkonzept in Gemütlichkeit gehüllt werden.

Im Osten liegen die schlauchartigen Gebäudeteile eng beieinander, sodass die beiden Pultdächer zusammen ein Satteldach formen und so den traditionellen Bauernhäusern Tribut zollen. Von hier aus befindet sich der Eingang seitlich zur Gebäudefalllinie. 

Wie ein Trichter öffnet sich das Einfamilienhaus von Osten nach Westen. Die Ausrichtung des Gebäudes wurde von zwei Faktoren massgeblich beeinflusst. Zum einen vom bereits bestehenden Bauernhof auf dem trichterförmigen Areal, zum anderen von einer ganzjährigen Simulation und der Analyse der Sonneneinstrahlung auf dem Gelände. Gebaut hat das Haus in Bruneck in Südtirol der Architekt Stefan Hitthaler mit seinem gleichnamigen Büro. Ausgewählt wurde er in Folge eines zweistufigen Wettbewerbs, den der private Bauherr Peter Rubner für das Projekt veranstaltet hatte. Da er klare Vorstellungen vom Haus hatte, bestand die Leistung des Architekten in der Planung und Ausrichtung des Gebäudes. «Die genaue Positionsanalyse hat entscheidend dazu beigetragen, dass wir über ein angenehmes Raumklima verfügen. Lichteinfall und Schatten sind optimal mit den Jahreszeiten abgestimmt», sagt Peter Rubner. Zu seinen klaren Vorstellungen, wie er sagt, habe die Wahrung des Hofensembles gehört, in das sich das neue Haus einfügen, dabei aber einen «angemessenen Ausdruck seiner Zeit» beibehalten sollte. «Es sollte etwas wirklich Einzigartiges werden, das es wert ist, Generationen zu überdauern und Teil der Kulturlandschaft zu werden», fährt Peter Rubner fort. Auch das Satteldach stand auf seiner Wunschliste. Architekt Stefan Hitthaler hat, basierend auf diesen Wünschen, einen modernen, zweiteiligen und schlauchförmigen Bau über insgesamt drei Etagen konzipiert, der als Dreieck den Hof eingrenzt.

Verbindung zur Landwirtschaft

Trotz der ästhetischen Ansprüche steht für den Bauherrn die Funktionalität klar vor der Schönheit. Dieser Devise folgt auch die Gliederung des Hauses. Im ersten Obergeschoss befindet sich gegen Norden das Entree mit einem kleinen Vorraum, der in einen offenen Wohn-, Koch-und Essbereich übergeht. Nahe des Eingangs sind zudem Vorrats-und Wirtschaftsräume sowie ein Gäste-WC angesiedelt. Über eine Treppe gelangt man in das zweite Obergeschoss, wo sich insgesamt vier Schlafzimmer befinden. Diese sind in Richtung Westen mit auskragenden eigenen Terrassen konzipiert. In der Hausmitte, also zwischen den beiden schlauchartigen, vorspringenden Gebäudeteilen, sind zwei Badezimmer als Verbindungselemente angeordnet.

Eine ganz neue Welt eröffnet sich dem Besucher im Erdgeschoss des Hauses. Dort befindet sich der grosszügig verglaste Verkostungsraum, der das Verbindungsstück über den mit Steinplatten ausgelegten Hof zum landwirtschaftlichen Bereich darstellt. An den Degustationsbereich grenzt das ebenfalls verglaste Lager für Balsamicoessig mit Küche und separatem WC. Ebenfalls im hinteren Gebäudeteil befinden sich Technikraum, ein Erdkeller, eine Garderobe und eine Treppe nach oben zu den Wohnebenen des Hauses. Da das Areal bereits über eine grossflächige Photovoltaikanlage verfügte, wurde eine Geothermieanlage als Heizsystem gebaut. «Es lag auf der Hand, dass wir ein energieautarkes Gebäude gestalten wollten», sagt Architekt Stefan Hitthaler. Ausserdem wurden beim Bau die örtlichen Klima-Haus-Standards befolgt, die bei Neubauten in Südtirol Voraussetzung sind.

Die Innenarchitektur des Hauses ist durch den dunklen Holzboden, ebenso dunkle Möbelfronten in Schleiflack und viel Textil aus handgeweb- ter Wolle definiert.

Stein, Glas und Holz, das sind die drei Materialien, die der modernen Architektur ein zeitgemässes Kleid verpassen. Das zweite Obergeschoss, der Ort für Rückzug und Privatsphäre, besteht gänzlich aus Holz. Auch im Innenbereich des Erdgeschosses kommt das natürliche Material in Form von Holztäfelungen zum Einsatz. Für die Einrichtung zeichnet die Innenarchitektin Barbara Mayr verantwortlich. «Bei dem Entwurf der Möbel ging es mir vorrangig darum, die konzipierte Struktur des Gebäudes mit Vorsicht und Einfühlungsvermögen zu unterstreichen», sagt sie zum Konzept. Aufgrund der Weite und der Helligkeit der Räume kamen bei den einzelnen Materialien dunklere Farben zum Einsatz. So zum Beispiel beim grauen Naturstein, bei den dunklen Möbelfronten in Schleiflack, aber auch bei den aus Wolle handgewebten Textilien und den sandfarbenen Wandspachtelungen. «Zudem setzen die Ausrichtung und die Beleuchtung einzelne Wohnbereiche bewusst in Szene, wodurch die gewünschte Gemütlichkeit erzielt wird», erklärt die Innenarchitektin das Lichtkonzept des Hauses. So sind jeweils raumbegleitend und linear angeordnete LEDBänder verbaut. Ergänzt werden diese besonders im Wohnbereich mit dekorativen Lichtelementen. Der Verkostungsraum im Erdgeschoss wird über Spots mit Reflektoren flächig ausgeleuchtet. Ein besonderer Fokus liegt in diesem Hausteil auch auf der Ausleuchtung der Wände, die zahlreiche Gemälde beheimaten, die der Bauherr über die Jahre mit viel Leidenschaft teilweise selbst gemalt, teilweise erstanden hat.

Architektur für die Selbstversorgung

Ebenfalls selbst gestaltet hat der Bauherr Peter Rubner den Übergang zum umliegenden Grünland. Das Gartenkonzept basiert indes auf drei zentralen Elementen: den für Südtirol typischen Trockenmauern, den massiven Granitplatten, die das Hofensemble gestalten, und TECHNISCHE ANGABEN [ ARCHITEKTUR ] Stefan Hitthaler Architektur, raum.it [ KONSTRUKTION ] EG und 1. OG Massivbau, 2. OG Holzbau|Satteldach | Fassade: Stein und Holz [ RAUMANGEBOT ] Nettowohnfläche: 259,94m² |Verkostungsräume für landwirtschaftliche Produkte: 141,48m² |Anzahl Zimmer: 6 [ AUSBAU ] Bodenbeläge: Steinboden im EG, in den Bädern und auf der Terrasse, Holzboden im 1. und 2. OG sowie auf den Terrassen|Wandbeläge: Wohnräume mit Gips gestrichen, Sichtbeton, Bäder mit Spachtelung mit Wachszement, Verkostungsräume mit Gips gestrichen, Sichtbeton und Holztäfelung | Fenster: Holzfenster mit Dreifachverglasung, Glasfassaden mit Dreifachverglasung [ TECHNIK ] Geothermie mit kontrollierter Wohnraumlüftung dem mediterranen Flair, das besonders bei der Bepflanzung deutlich wird. Neben über 130 Solaris-Reben für die eigene Aceto-balsamico-Produktion besteht die Gartenzone aus einem grosszügigen Gemüsegarten mit Spargelecke, aus einem Kräutergarten, Lavendel sowie Feigenbäumen, einer Pferdekoppel und einem Naturteich mit Forellen. Abgerundet wird die grosszügige und vielfältig gestaltete Umgebung des Hauses mit einer Streuobstwiese, der eine Schafweide vorgelagert ist. Insgesamt stehen am Hofgelände über 30 Obstbäume und viele Beerensträucher. Das Ziel der Eigenversorgung ist auf diesem Grundstück zum Greifen nah.

Insgesamt ist der Architekt auf die Übersetzung der Grundstückslage in die Architektur des Hauses besonders stolz. Als persönliches Highlight aber nennt er die nach Westen auskragenden Holzterrassen im zweiten Obergeschoss. Und für den Bauherrn ist klar: «Wer seinen Kopf frei macht für Architektur und den ein oder anderen Espresso mit seinem Architekten trinkt und ihm gut zuhört, der steht am Ende vor einem erfolgreichen Bauprojekt, das all seinen Wünschen und Bedürfnissen gerecht wird.» <<

TECHNISCHE ANGABEN
[ ARCHITEKTUR ]
Stefan Hitthaler Architektur, raum.it
[ KONSTRUKTION ]
EG und 1. OG Massivbau, 2. OG Holzbau|Satteldach | Fassade: Stein und Holz
[ RAUMANGEBOT ]
Nettowohnfläche: 259,94m² |Verkostungsräume für landwirtschaftliche
Produkte: 141,48m² |Anzahl Zimmer: 6
[ AUSBAU ]
Bodenbeläge: Steinboden im EG, in den Bädern und auf der Terrasse,
Holzboden im 1. und 2. OG sowie auf den Terrassen|Wandbeläge: Wohnräume mit Gips
gestrichen, Sichtbeton, Bäder mit Spachtelung mit Wachszement,
Verkostungsräume mit Gips gestrichen, Sichtbeton und Holztäfelung | Fenster:
Holzfenster mit Dreifachverglasung, Glasfassaden mit Dreifachverglasung
[ TECHNIK ]
Geothermie mit kontrollierter Wohnraumlüftung

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