Tessiner Panorama

Wie ein Ufo, das am Steilhang gelandet ist, schwebt dieses Haus über dem Lago Maggiore. Seine besondere Form ist keine architektonische Extravaganz, sondern eine durchdachte, praktische Antwort auf die Umgebung und die Bedürfnisse der Bewohner.

Tessiner Panorama
Die gekrümmte Form des Balkons erlaubt es den Hausbewohnern, ein Panorama von mehr als 180 Grad zu geniessen.
Text Anna Ettlin | Fotos Holger Jacob
Wie ein Ufo, das am Steilhang gelandet ist, schwebt dieses Haus über dem Lago Maggiore. Seine besondere Form ist keine architektonische Extravaganz, sondern eine durchdachte, praktische Antwort auf die Umgebung und die Bedürfnisse der Bewohner.
Als die Ehefrau des Bauherrn vorschlug, in die italienische Schweiz zurückzukehren, hatte der gebürtige Tessiner nur eine Bedingung: «Ich wollte nicht in einem Tal wohnen, sondern an einem See», erinnert er sich. Das passende Bauland besass das Ehepaar bereits seit Langem: Ein steiles Hanggrundstück in Magadino, hoch über dem Lago Maggiore. Mit dem Bau ihres neuen Zuhause beauftragte es Fausto Forni von Forni e Gueli Architetti. Bereits der erste Vorschlag traf den Nagel auf den Kopf, lediglich Details mussten angepasst werden. «Das Grundstück hat einige Besonderheiten», führt Fausto Forni aus. «Es ist ein Nordhang, was einen sorgfältigen Umgang mit dem Licht bedingt. Es ist sehr steil. Und schliesslich stehen die Häuser hier aufgrund des Strassenverlaufs schräg zum See.» Die Wünsche der Bauherrschaft waren klar formuliert: Ein pflegeleichtes, modernes Haus mit zwei Stockwerken, das in Farb- und Materialwahl das Tessin dezent widerspiegeln sollte. Ausserdem wollte die Familie die unverbaubare Seesicht aus jedem Raum geniessen. Aus diesen Vorgaben und aus der Lage ergab sich ein langes, schmales Haus. Sein rechteckiger Grundriss wird nach vorne von gebogenen Balkonen eingefasst. «Es ist das Guggenheim von Magadino», scherzt der Architekt. Die Balkone sind jedoch mehr als eine Hommage an ein ikonisches Bauwerk: Ihre gerundete Form kaschiert die schräge Lage des Hauses. Ausserdem schaffen sie Lebensraum für die Bauherrschaft, die sich aufgrund der steilen Lage dafür entschieden hat, nur einen kleinen Garten anzulegen. Und wenn man das Haus betritt, machen sie aus der Aussicht ein gerahmtes 180-Grad-Panoramabild. «Heute setzt man häufig auf Glasfassaden», sagt Fausto Forni. «Aber in einem komplett verglasten Raum haben Sie die gesamte Aussicht in zwei Sekunden gesehen.» Die Balkone lenken das Auge des Betrachters. Verändert man seine Position im Haus, so ändert sich auch der Bildausschnitt. Dabei schützt das Geländer vor fremden Blicken und blendet zugleich die visuelle Unruhe weiter unten am Hang aus: Nahe Hausdächer, Strassen, Autos und Bahngleise sehen die Hausbewohner nur, wenn sie es wollen.

Modern mit einem Touch Tessin

Zur Strasse hin präsentiert sich das Haus geschlossen: Eine lange Mauer zieht sich von der Garage bis zum Garten auf der gegenüberliegenden Seite durch. Um Besucher zu führen, hoben Architekt und Bauherr die Eingangstüre mit einem Steinblock hervor, neben dem ein Olivenbaum wächst. Wer das Haus betritt, gelangt zunächst in einen hellen Eingangsbereich. Das Flachdach biegt sich an dieser Stelle nach oben, um Platz für einen langen Fensterstreifen zu machen. Nach Süden ausgerichtet sorgt der Streifen dafür, dass auch im Winter genügend Tageslicht vorhanden ist. Eine Wand trennt den Eingangsbereich von der Küche. Von hier aus öffnet sich dem Besucher erstmals der Blick auf den Lago Maggiore. Die Küche, die aus einer Zeile und einer grosszügigen Kochinsel besteht, ist ganz auf die Aussicht ausgerichtet: Beim Kochen oder Spülen auf der Insel blickt man direkt aus dem Fenster, beim Rüsten auf der Zeile reflektiert sich das Panorama in der verspiegelten Rückwand. Zur einen Seite der Küche liegt ein kleiner Raum, den der Bauherr als Büro und als Atelier nutzt. Auf der anderen Seite öffnet sich das Wohn- und Esszimmer, in dem die grauen Bodenplatten von Eichenparkett abgelöst werden. Ein langes Einbaumöbel mit Cheminée prägt das Wohnzimmer. «Das war ein Entwurf des Architekten», erklärt der Bauherr. «Der Fernseher lässt sich so hinter einem Schiebepaneel verstecken, und wir gewinnen sehr viel Stauraum.» Mit seiner langen Steinbank bringt das Cheminée zudem ein Stückchen Tessin ins Interieur.

«Jedes Haus hat seine eigene Geschichte. Es muss zum Ort und zum Menschen passen.»Fausto Forni, Architekt

Der Privatbereich der Bauherrschaft liegt im unteren Stock. Ein langer Gang verbindet die Räume und bringt zahlreiche Einbauschränke unter, damit die Bauherrschaft den Platz in den Zimmern besser nutzen kann. Das Eltern- und das Kinderzimmer, ein Büro- und Gästezimmer sowie ein Fitness-Raum, der als zweites Gästezimmer dienen kann, verfügen alle über einen Zugang zum unteren Balkon. Ein Eltern- und ein Kinderbad, eine Ankleide, ein Technik- sowie ein Kellerraum fanden ebenfalls Platz im grossen Untergeschoss. Neben dem Fitness-Zimmer liegt zudem ein Haushaltsraum, in den eine grosszügige Holzsauna integriert wurde. Beim Saunieren blickt man durch ein geschickt platziertes Fenster gemütlich auf den See. Zur Abkühlung nach dem Wärmebad kann man über eine Aussentreppe zum Gartenbereich hinuntersteigen. Das Haus, das vorne auf Stelzen steht, bildet hier einen geschützten Aussenraum. Am liebsten hält sich die Bauherrschaft aber auf dem grossen Balkon im Erdgeschoss auf. «Ich freue mich jeden Tag aufs Neue, diese wunderbare Aussicht zu sehen», sagt der Bauherr.

Bauherrschaft und Architekt haben sich als ein gutes Team empfunden. «Wir hatten Vertrauen in Fausto Forni und haben ihm vielerorts freie Hand gelassen», sagt der Bauherr. «Dafür hat er auch unsere Wünsche respektiert.» Auch Fausto Forni hatte die Offenheit der Bauherrschaft geschätzt: «Ein Haus muss zur Lage und zu seinen Bewohnern passen», sagt er. «Jedes Haus hat seine eigene Geschichte.»

TECHNISCHE ANGABEN

Tessiner Panorama
Obergeschoss
Tessiner Panorama
Erdgeschoss

[ ARCHITEKTUR ]

Fausto Forni | Forni e Gueli Architetti | Muralto | fornigueli.ch

[ KONSTRUKTION ]

Massivbau | Innendämmung | Flachdach | Fassade: Verputz

[ Raumangebot ]

Wohnfläche: 233 m² | Anzahl Zimmer: 6,5

[ Ausbau ]

Boden: Platten, Parkett | Wände: Verputz

[ Technik ]

Erdsonde | Sole-Wasser-Wärmepumpe | Zentralstaubsauger

Tessiner Panorama
Die massive Brüstung dient als Sichtschutz: Von unten sieht man nicht ins Haus hinein, von innen nicht auf die visuelle Unruhe des Dorfes.
Tessiner Panorama
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Beleuchtete Nischen im Eingangsbereich beherbergen Objekte aus Bernstein, dem Lieblingsstein der Bauherrin.
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Die Kunststein-Arbeitsplatte auf der Kücheninsel nimmt durch Glimmereinschlüsse die Spiegelung der Rückwand auf.
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Das Cheminée bringt mit seiner Steinbank und der Rückwand aus Backstein einen Touch Tessiner Tradition ins moderne Haus.
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Küche, Wohnzimmer und Atelier lassen sich auf Wunsch mit Schiebetüren trennen.
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Das Wohnzimmer ist übers Eck verglast und erhält zusätzliches Tageslicht vom Fensterstreifen unter dem Dach.
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Selbst aus der Badewanne von Schmidlin kann die Bauherrschaft die Aussicht geniessen.
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Die Sauna bietet Platz für zwei Personen und öffnet sich mit der Glasfront zu einem Fenster, das wie ein lebendiges Bild wirkt.
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Der Balkon im Erdgeschoss erstreckt sich bis in die Garage. Sobald sich das Tor öffnet, erlebt man bereits den ersten Wow-Effekt.
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Erdgeschoss
Tessiner Panorama
Obergeschoss
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