«Design ist mehr als nur hübsch»
Seit 2001 entwickelt Peter Wirz mit seinem Designbüro Vetica Produktlinien für den Schweizer Fabrikanten Keramik Laufen. Im Interview spricht er über seine Rolle als Industriedesigner und seine Visionen.

Peter Wirz, das Badezimmer nimmt einen immer grösseren Stellenwert bei der Hausplanung ein. Welchen Stellenwert hat es bei Ihnen persönlich ?
Als wir unser Haus gebaut haben, haben wir uns bei der Gestaltung unseres Badezimmers an einem schön gestalteten Hotelzimmer orientiert. Wir haben den Schlafbereich, die Ankleide und das Bad in einem Raum vereint. Wenn man das Zimmer verlässt, ist man fixfertig für den Tag. Die Integration der verschiedenen Funktionen in einem Raum hat für mich etwas Sinnliches.
Für Keramik Laufen haben Sie die den Waschtisch «Moderna R» redesignt und diese Aufgabe als Operation am offenen Herzen bezeichnet. Weshalb ?
Seit 18 Jahren pflegen die Firma Keramik Laufen und ich eine enge Verbindung, die weit über eine einfache Kollaboration zwischen Designer und Auftraggeber hinausgeht. Wir sind stark in die strategische Ausrichtung des Unternehmens eingebunden. Unsere Aufgabe ist es, mehrheitsfähige Programme für Keramik Laufen zu entwickeln, Lösungen zu finden, die ideal auf die Produktion und das Material abgestimmt sind und die in hoher Stückzahl produziert werden können. Wir bezeichnen dies als demokratisches Design, also Design für jedermann. Unsere Arbeit bedeutet das Butter-und-Brot-Geschäft für das Unternehmen, deshalb dürfen wir – wie bei einer Operation am offenen Herzen – keine Fehler machen, weil das ansonsten fatale wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen hätte.
Was macht gutes Design bei Produkten rund um das Badezimmer aus ?
Badprodukte müssen pflegleicht und hygienisch sein, möglichst wenige Fugen haben, viel Stauraum aufweisen und ganz wichtig: Sie müssen langlebig sein hinsichtlich Qualität, Funktionalität und Design. Es darf nicht passieren, dass der Nutzer sich nach kurzer Zeit an einer Armatur stört, weil das Design nicht mehr zeitgemäss ist.
Was ist Ihre Philosophie, und wie verstehen Sie Ihre Rolle als Industriedesigner ?
Zuhören, beobachten und vermitteln. Für mich ist es wichtig, dass der Designer nicht als Hübschmacher gesehen wird. Wir verstehen uns als Transformatoren zwischen Firmen und ihren Kunden. Bevor wir mit dem dicken Stift zu entwerfen beginnen, wollen wir sicher sein, dass das, was wir machen, auch wirklich funktioniert.
Von Medizintechnik über Consumer Products bis hin zu Interior-Design: Das Tätigkeitsfeld Ihres Designbüros Vetica ist sehr breit gefächert. Was verbindet Ihre Produkte ?
Bei allen Dienstleistungen geht es uns darum, einen messbaren Wert für die Kunden zu schaffen. Wir betrachten den Auftrag im Kontext mit dem Unternehmen und seiner Strategie. Zuhören, sich ins Gegenüber hineindenken und es verstehen ist wichtig, um herauszufinden, wo das Problem tatsächlich liegt. Durch unsere Analysen stellen wir nämlich oft fest, dass das Problem nicht da liegt, wo der Kunde anfangs glaubte. So kann es vorkommen, dass wir statt eines neuen Produktdesigns schliesslich eine Lösung für das Serviceangebot oder die Digitalisierung entwickeln. Meiner Meinung nach ist Design viel mehr als nur Gestaltung von Neuem. Design ist eine Möglichkeit, einen tiefen Einblick in ein Unternehmen und seine Kultur zu bekommen und dann die richtige Lösung zu finden.
Sie sind international tätig. Stellen Sie Unterschiede in den verschiedenen Ländern bezüglich Designempfinden fest ?
Wir leben in einer globalisierten Welt mit offenen Märkten. Ein Produkt muss heute international funktionieren. Wir beobachten eine Harmonisierung von Design. Unterschiede zwischen den Ländern sind praktisch verschwunden. Es gibt nicht mehr klassisches italienisches, französisches oder schweizerisches Design. Heutzutage sind alle Informationen für alle per Mausklick verfügbar, und alle Designer orientieren sich an ähnlichen Grundlagen. Für mich gibt es deshalb nur gutes oder schlechtes Design.
Was wäre denn gutes bzw. schlechtes Design ?
Schlechtes Design ist, wenn es um jeden Preis «Hallo!» schreit. Ein Produkt kann isoliert betrachtet ein Schmuckstück sein, muss sich aber ins Umfeld, in das es gesetzt wird, integrieren, so, als ob es schon immer da gewesen wäre.
Gibt es etwas, das Sie noch nicht entworfen haben, Sie aber sehr reizen würde ?
Jede neue Aufgabe für sich ist ein Reiz. Ein stiller Wunsch von mir, nachdem ich schon seit bald 18 Jahren im Badbereich tätig bin, ist die Transformation in die Küche. Es gibt sehr viele wahnsinnig tolle Küchen und interessante Konzepte, aber ich bin überzeugt, dass noch viel, viel mehr möglich wäre. Die Küche ist noch stark geprägt von Standardisierung. Doch Individualisierung wird in der Küche sowie auch im Bad in Zukunft eine grosse Rolle spielen.
Peter Wirz, Designer
Was meinen Sie damit konkret ?
Die Küche ist für mich ein Begegnungsort, wo die Speisen mit einer gewissen Gelinggarantie zubereitet werden. Viele haben teure Küchen und brauchen sie nie. Viele kochen gerne und sehr gut, können sich aber die teuren Geräte nicht leisten. Ich würde gerne diese beiden Welten mit einem modularen, individualisierbaren System mischen. Es gibt schon Firmen, die Geräte mit Sensoren anbieten, das ist jedoch alles noch sehr technoid und wenig sinnlich.
Wie begegnen Sie Design im Alltag ?
Alles ist Design. Ich habe beispielsweise antike Gebrauchsgegenstände aus Asien in meinem Büro ausgestellt, die in Asien vielleicht gar keine Beachtung mehr finden. Doch auf dem Podest präsentiert, ist in meinen Augen jeder einzelne dieser Gegenstände ein Designobjekt. Design ist eine tägliche Fülle von Inspiration durch Begegnung mit Menschen, Reisen, Architektur, Kunst, Literatur. Gesprächen mit Menschen verschiedenen Alters und verschiedener Kulturen sind meine Quelle der Inspiration.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie wird sich das Baddesign wohl weiterentwickeln ?
Die Entwicklung des Baddesigns wird sich vor allem über die Optimierung der Platzverhältnisse definieren. Ich hoffe, dass die Architekten dem Bad in Zukunft mehr Platz geben werden, denn bessere Lösungen, die zum Tagesablauf der Benutzer passen, können nur entwickelt werden, wenn der Platz vorhanden ist. Auch das Verständnis von Hygiene wird bestimmt einen grösseren Stellenwert erhalten, so werden die Themen Dusch-WC und Fugenlosigkeit sich weiter etablieren. Schliesslich wird die demografische Entwicklung das Baddesign prägen. Die Produkte müssen ältere Menschen unterstützen, ohne orthopädisch auszusehen.



