«Ich mag es unkompliziert»
Er reist um den Globus, um die hohe Gesellschaft zu bekochen, hält aber nichts von importierten, exotischen Zutaten. Spitzenkoch Ralph Schelling verwöhnt seine Gäste mit innovativen Kreationen, aber auch mit einfachen Gerichten, die Gaumen und Augen erfreuen.

Ralph Schelling, Ihre Kochkünste sind international sehr beliebt. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg ?
Der Start in die Selbstständigkeit war nicht einfach. Es ist ja nicht so, dass die Leute auf mich gewartet hätten. Weil ich noch keine eigenen Aufträge hatte, habe ich viel bei anderen Köchen ausgeholfen. Durch solche Einsätze konnte ich meine Fähigkeiten zeigen. Einmal durfte ich für russische Oligarchen ein Festessen zubereiten. Seit diesem Anlass scheinen sich meine Kochkünste herumgesprochen zu haben. So kam ich zu immer neuen und spannenden Aufträgen. Heute bin ich dankbar für die Freiheiten, die ich als Private Chef geniessen darf.
Vor einigen Tagen haben Sie in Sizilien gekocht, heute zaubern Sie ein Menü in einer privaten Orea-Küche in Hombrechtikon. Wie finden Sie sich jeweils in einer neuen Küche zurecht?
Ich habe zugegeben eine schlechte Orientierung in fremden Küchen. Ich tue mich schwer damit, das Geschirr zu finden. Je grösser die Küche ist, desto schwieriger wird es für mich. Meistens suche ich das Material zuerst zusammen und lege es heraus, damit ich einen Überblick habe und sofort sehe, was ich brauche.
Was gefällt Ihnen an dieser Küche von Orea am besten?
Ganz besonders gefällt mir der Gasherd. Das Feuer ist ein ursprüngliches Element. Ausserdem schätze ich die Drehknöpfe. Kochfelder mit Touchfunktion mag ich weniger, denn sobald man ein bisschen ölige Hände hat, funktioniert nichts mehr. Oft haben moderne Geräte Funktionen, die man nie braucht. Eine Küche wie diese ist tatsächlich super, um als Koch zu arbeiten. Vom grossen Gaggenau-Ofen bin ich begeistert. Ich mag es, einen ganzen Fisch oder einen Rindsrücken am Stück frisch zuzubereiten. Da ist ein Ofen wie dieser genial.
Was zeichnet eine gute Küche sonst noch aus ?
Eine gute Küche muss praktisch und funktional sein. Wie unpraktisch Küchen sein können, sehe ich immer wieder. Wenn ich eine Küche neu planen könnte, würde ich auf Details wie genügend und sinnvoll platzierte Steckdosen achten. In der Karibik unterstütze ich derzeit ein Projekt für die kulinarische Neuausrichtung einer Villa auf einer privaten Insel und coache den Koch vor Ort. Die Küche dort ist optisch toll, aber auf dem ganzen Korpus fehlten Steckdosen, sodass man keinen Mixer anschliessen konnte. Glücklicherweise liess sich das nachrüsten. Ansonsten finde ich eine Wärmeschublade sehr praktisch. Sie ist zwar zum Tellerwärmen gedacht, doch ich nutze sie auch gern, um einen ganzen Fisch zu pochieren. Das Vakuumiergerät ist ebenfalls etwas, worauf ich nicht verzichten würde.
Wie sieht Ihre Küche zu Hause aus?
Ich wohne in einer Mietwohnung und habe eine Küche in aktuellem Standard. Für besondere Gerichte habe ich meinen japanischen Binchotan-Kohle-Grill, den ich liebe. Ich nutze ihn insbesondere für Gemüse und nehme ihn auch gern bei Aufträgen mit.
Kochen Sie denn überhaupt noch für sich zu Hause?
Ja, natürlich, jeden Tag. Zu Hause koche ich jeweils einfache Gerichte wie zum Beispiel Gnocchi, mein Lieblingsgericht.
Gnocchi ist doch eher ein aufwendiges Gericht !
Das Geheimnis bei der Zubereitung von Gnocchi ist: Ich koche die Kartoffeln nicht, sondern backe sie ungeschält im Ofen. So bekommen sie ein feines Röstaroma, und der Inhalt kann mühelos herausgelöffelt oder -gepresst werden. Das spart viel Zeit. Die Kartoffeln mische ich mit Eigelb und etwas Muskatnuss, lasse die Masse auskühlen und gebe danach etwas Mehl hinzu. Aus dem Teig forme ich dann die Gnocchi und koche sie in sehr gut gesalzenem Wasser. Aber ich salze nie den Teig. Denn durch das Salz im Teig würden sich die Gnocchi mit Wasser vollsaugen und matschig werden. Genau das ist der grösste Fehler bei den herkömmlichen Gnocchirezepten.
Kochen Sie für Ihre Kunden jeweils Gerichte, auf die Sie selbst Lust haben, oder kochen Sie, was die Kunden wollen?
Ich habe mittlerweile einige Stammkunden, die mir bei den Gerichten freie Hand lassen. In der Regel habe ich das Glück, dass mir die Kunden vertrauen und ich sie sogar überraschen darf. Dann gibt es Kundschaft, die genaue Menüvorstellungen hat. Diese versuche ich möglichst gut umzusetzen. Die Zutaten beziehe ich von ausgewählten Lieferanten. Im Ausland gehe ich gern auf den Frischmarkt vor Ort.
Was kommt bei Ihnen nie auf den Teller?
Ich bin ein Tierfreund, aber kein Vegetarier. Mir ist wichtig, dass die Tiere, die für die Fleischproduktion verwendet werden, ein artgerechtes Leben hatten. Gänsestopfleber bereite ich deshalb weniger gern zu. Wenn möglich, weiche ich auf vegetarische Foie gras aus. Mein Gericht besteht aus Bündner Baumnüssen und kalt gepressten Ölen. Ich habe Kunden, die die falsche Foie gras sogar lieber haben, und das freut mich, weil so kein Tier gequält wurde. Obwohl ich als Private Chef oft ins Ausland fliege, bin ich kein Fan von exotischen, importierten Lebensmitteln. Mir ist die nachhaltige, ökologische Produktion enorm wichtig. Deshalb arbeite ich mit saisonalen Zutaten aus der Region. Wenn ich jedoch ein tolles und haltbares Produkt im Ausland entdecke, wie die sizilianischen Cedro-Zitronen, dann nehme ich das gern mit in die Schweiz. Umgekehrt nehme ich die besten Schweizer Produkte mit für meine Einsätze im Ausland, wie Käse aus der Sennerei Andeer oder Holzenfleisch aus Ennetbürgen.
Ralph Schelling, Private Chef
Kochen Sie auch für Ihre Familie, oder lassen Sie sich lieber von Mama oder von der Oma bekochen ?
Das Problem ist, dass man als Koch nie zum Essen eingeladen wird, dabei bin ich gar nie kritisch. Demnächst fahre ich mit Freunden nach Apulien, die freuen sich schon darauf, dass ich sie dort bekochen werde. Aber das mache ich sehr gern. Ich bin ja froh, dass ich mein Hobby zu meinem Beruf machen konnte.
Darf man Ihnen beim Kochen als Gast Gesellschaft leisten?
Gern, das gehört zu meinem Job, ich bin ein geselliger Mensch.
Wie werden sich wohl Küche und Kochen in Zukunft verändern?
Ich beobachte die neuen Trends. Jedes Jahr besuche ich die Madrid Fusión, den Gastronomiekongress in Spanien. Die Molekularküche während meiner Zeit bei Ferran Adrià hat mich sicher beeinflusst. Alles in allem glaube ich, dass es beim Kochen zurück zum Ursprünglichen geht: Man kocht einfacher, aber mit guten Produkten. Kindheitserinnerungen haben auch einen Einfluss auf unser Kochverhalten und unsere Essgewohnheiten.
Was sind Ihre Zukunftspläne als Koch?
Ich nehme das Leben mit Freude und so, wie es kommt. Ich habe das Glück, dass mein Alltag sehr abwechslungsreich ist: Mal bin ich in der Schweiz, mal im Ausland. Mal organisiere ich ein grosses Catering, mal koche ich in einer privaten Küche, mal gebe ich Kochkurse. Gleichzeitig bilde ich mich weiter. Ich gehe gern zu anderen Köchen essen, um auch von ihnen Neues zu lernen.
Welches Erlebnis ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
Vor zwei Jahren haben Gäste an der Costa Careyes in Mexiko eine Geburtstagsparty gefeiert. Ich wollte ein Fischgericht zubereiten. Wie immer machte ich mich mit meinem Guide auf den Weg zum Markt, um die Zutaten für das Festessen zu organisieren. Nach einer langen Fahrt ins Dorf mussten wir feststellen, dass es keinen geniessbaren Fisch mehr gab, weil das Wasser viel zu warm war. Also haben wir uns auf die Suche nach Alternativen gemacht. Dabei haben wir viele Einheimische kennengelernt, die uns Tipps gaben. Nebst lokalen Früchten und lokalem Gemüse haben wir auch wilde Nopal – ein Feigenkaktus – und tolles Fleisch zum Grillieren gefunden. Zu trinken gab es Mezcal mit frischem Kokoswasser. Lustigerweise hatte ich erst kürzlich ein mexikanisches Fest in Zürich. Da konnte ich nicht nur die Tortiera – eine Tacco-Maschine, die ich in Mexiko geschenkt bekommen habe – endlich wieder benutzen, sondern auch meine Gäste mit den Spezialitäten, die ich in Mexiko gekocht habe, beeindrucken.
Auf kulinarischer Reise mit dem Profi

Warum ein Kochbuch schreiben, wenn man ein Magazin herausgeben kann? Mit Foodfotograf Sylvan Müller hat Ralph Schelling 2018 das englischsprachige Magazin «Trip» herausgebracht. In der ersten Ausgabe nimmt Ralph Schelling seine Leser mit auf eine kulinarische Reise ins katalonische Dorf Cadaqués. Das Motto lautet «wrong time, right place», denn im Winter, wenn das Land fast frei von Touristen ist, gibt es die besten kulinarischen Schätze zu entdecken: zum Beispiel Seeigel, wonach Ralph Schelling im eiskalten Wasser taucht.trip-magazine.ch | ralphschelling.com | instagram.com/ralph.schelling



















